Liebherr-Raupenbagger Generation 8
In Motion. Test & Drive – so hat Liebherr eine Veranstaltung betitelt, bei der man parallel zur Bauma 2019 diverse Maschinen ausprobieren konnte. Wir haben die Chance genutzt, verschiedene Typen der neuen Raupenbagger-Generation 8 selbst zu fahren.
Auf dem Gelände eines nahe der Messe München gelegenen Kieswerks hatte Liebherr zahlreiche Maschinen aus verschiedenen Sparten des Unternehmens aufgefahren – mit der Möglichkeit, sie persönlich zu testen. Das Ganze sehr professionell organisiert, vom Transfer mit Shuttle-Bus oder Rikscha über die Sicherheitsvorkehrungen bis zum großen Catering-Zelt, in dem für Bauma-Verhältnisse eine regelrechte entspannte Atmosphäre herrschte. Das Interesse an den Maschinen war aber keineswegs verhalten – ganz im Gegenteil: Die Geräte hatten, so einer der betreuenden Vorführer, so gut wie keinen Stillstand. Auch wenn derartige Events die Vorführung beim Kunden nicht ersetzen können, bieten sie dem Praktiker doch einen ganz anderen Zugang zu den Produkten als eine rein statische Schau auf der Messe. Und eine gute Gelegenheit, auch mal etwas Ungewohnteres zu bewegen, zum Beispiel eine Industrie-Umschlagmaschine oder einen Rohrleger.
Die neuen Raupenbagger aus Colmar, die übrigens auch auf einer völlig neuen Fertigungslinie montiert werden, scheinen schon auf den ersten Blick etwas wuchtiger als ihre Vorgänger. Steht man vor dem Heck, glaubt man ein Gerät der nächst größeren Klasse vor sich zu haben. Ein Blick ins Datenblatt zeigt, dass die Oberkante des Heckgewichts beispielsweise beim aktuellen R 926 tatsächlich um gute 40 cm höher liegt. Das neue Erscheinungsbild ist einem zentralen Merkmal der jüngsten Generation geschuldet: Alle sieben vorgestellten Modelle von 22 bis 45 t sind mit den hauseigenen 4-Zylinder-Motoren der Abgasstufe V ausgerüstet. Um die geforderten Schadstoffgrenzwerte einzuhalten, braucht es nun mal mehr Komponenten – und die benötigen einfach Platz. So haben die Bagger der Generation 8 neben der SCR(Harnstoff)-Nachbehandlung einen Oxy-Kat und teilweise einen Partikelfilter. All diese Teile müssen zudem noch an einer thermisch verträglichen Position verbaut werden. Und in der Regel ist auch eine erhöhte Kühlleistung nötig, um die kleine Chemie-Fabrik nicht zu überhitzen.
Der Oberwagen ist insgesamt sachlicher gestaltet, die schwungvollen Streifen und Lüftungsöffnungen sind rechtwinkligen Formen mit dezenten Abschrägungen gewichen, was den Baggern gut zu Gesicht steht. Der Aufstieg auf das Oberwagendeck wurde um 90 ° gedreht, wodurch sich ein Betreten der Ketten weitestgehend erübrigt. Teilweise waren die Maschinen mit optionalen, umlaufenden Geländern am Oberwagen ausgestattet – ein hierzulande immer noch gewöhnungsbedürftiger Anblick, anderenorts jedoch Pflichtausstattung jedes Baggers. Und aus meiner Sicht ein durchaus sinnvolles Ausstattungsdetail, es geht immerhin um mehr als 2 m Absturzhöhe.
In der Kabine
Die Fahrerkabinen gleichen weitgehend denen der Vorgängermodelle. Um das Einsteigen zu erleichtern, ist die linke Bedienkonsole nun allerdings hochklappbar. Das minimiert die Gefahr, mit Kleidungsstücken hängen zu bleiben oder gar zu stürzen. In der Kabine befindet sich ein weiteres zentrales Merkmal der neuen Bagger, auch wenn es auf den ersten Blick nicht zu erkennen ist: die elektronischen Vorsteuergeber. Das bedeutet, dass die Haupt-Steuerschieber nicht mehr durch einen Niederdruck-Ölkreislauf, sondern auf elektronischem Weg betätigt werden. Das Hydrauliköl wird dadurch aus der Kabine verbannt, mögliche Leckagen und ein zusätzlicher Wärmeeintrag sind damit ausgeschlossen. Liebherr verspricht sich davon eine Effizienzsteigerung und schafft gleichzeitig die besten Voraussetzungen für die spätere Implementierung von Assistenz- und Automatisierungssystemen.
Die Ausrüstung
Große Aufmerksamkeit wurde der Konstruktion der Ausrüstung gewidmet. Laut Hersteller war dabei oberstes Ziel, das Gewicht der Ausleger-Komponenten soweit wie möglich zu verringern. Die Reduktion von Eigenmasse soll die Agilität des Gesamtgeräts sowie natürlich die Löffelkapazität steigern. Verzichtet wird zum Beispiel auf die gegossenen Lagerglocken zur Aufnahme der Hubzylinder. Man könnte meinen, hier würden eherne Grundsätze des Maschinenbaus über Bord geworfen, aber die Lösung mit durchgehendem Lagerbolzen hat sich zigtausendfach bei Wettbewerbsgeräten bewährt.
Bei der Verstellausrüstung setzt Liebherr jetzt auch auf einen Nacken-Zylinder. Gegenüber der bisherigen Verstellausrüstung soll die aktuelle Variante eine Gewichtsersparnis von durchschnittlich 30 Prozent ergeben. Überschlägt man nur die Anzahl der notwendigen Brennteile, scheint der Wert durchaus realistisch. Dass weniger Einzelteile auch die Fertigung kostengünstiger machen sei nur am Rande erwähnt. Bei der Beleuchtung an Ausrüstung, Kabine und Oberwagen sind LED-Leuchtmittel in der neuen Serie Standard.
Der Testbetrieb
Die nur kurze Proberunde mit den neuen Baggern war durchaus eindrucksvoll. Weil ein völlig neues Vorsteuersystem verbaut wurde, erwartet man auch ein anderes Ansprechverhalten – aber weit gefehlt, man kann wie gewohnt in die Tasten greifen. Der Bagger liegt sehr gut in der Hand, es gibt keine spürbare Verzögerung in der Ansteuerung. Auch bei kombinierten Funktionen geht er flott zur Sache. Die neue Technologie eröffnet natürlich auch ganz andere Möglichkeiten, die Charakteristik der Bedienung den eigenen Vorlieben anzupassen. Hierzu empfiehlt sich ein Blick in die Betriebsanleitung.
Bei den Aufbauten des Oberwagens ist es Liebherr gelungen, eine direkte Sicht aus dem Heckfenster noch in gewissem Rahmen zu ermöglichen. Den Rest müssen heute Heckkameras (Standard) bzw. 360°-Skyview (Option) übernehmen. Und wie zu erwarten, liegt die Geräuschkulisse auf einem angenehmen niedrigen Niveau.
Erstes Fazit
Fünf Jahre Entwicklungszeit hat Liebherr in die Generation 8 investiert. Entstanden ist eine Baggerreihe, die sicher weit über ein Facelift hinausgeht. Vergleicht man ein paar Eckwerte, haben die sieben Neuen sicher das Zeug, sich am Markt zu etablieren. Wie sie sich konkret auf den Baustellen bewähren, muss sich noch zeigen. Der kurze erste Eindruck macht jedenfalls Lust, sich eingehender mit ihnen zu beschäftigen.