Ford F-Max 500 als grundsolide Kipper-Zugmaschine
Er trägt die größte Version der Ford-Pflaume auf dem Kühlergrill, kommt aber nicht aus den USA, sondern der Türkei. Der Ford F-Max ist ein preislich sehr interessanter Vollblut-Truck, der insbesondere als Zugmaschine für den Kippsattel eine gute Figur macht.
Gut 2.400 km südöstlich der deutschen Firmenzentrale in Crailsheim befindet sich das Ford-Otosan-Werk Inönü. Dort entsteht nicht nur der F-Max, sondern auch der schwere, 12,7 l große Ecotorq-Sechszylinder, der ihn antreibt. Sogar die Hinterachse ist ein Eigengewächs. Das Getriebe ist ein zwölfstufiges, voll automatisiertes Traxon von ZF mit Intarder – das kennen wir schon.
Dass der F-Max eine kleinere Entwicklungsstufe im Stammbaum vor sich hat, merke ich alsbald an der Lenkung: Schon beim Aufsatteln staune ich über die Lenkkräfte, die ich aufbringen muss. In den Kreisverkehren nicht anders: Es kurbelt sich nicht mal eben lässig mit der flachen Hand, diese Lenkung braucht die zupackende Hand. Bei gekippter Kabine (elektrisch, weil Test-Truck) wird schnell klar, woran es hier hakt. Das Lenkgetriebe ist winzig. Und stammt vermutlich aus einer deutlich kleineren Baureihe – möglicherweise vom Mittelklasse-Truck Ford Cargo. Der wird nämlich ebenfalls in Inönü gebaut. Bis 1992 war er auch hierzulande zu haben und fand auch ein paar Käufer, die vermutlich auf sein – für diese Zeit – modernes Äußeres standen. Viel reißen konnte der Cargo bei uns aber nicht, genauso wenig wie sein schwerer Bruder Ford Transconti. Der war ein in England zusammengeschraubter Komponenten-Truck mit Renault-Kabine und wurde 1984 eingestellt.
Pro & Kontra: Ford F-Max 500
Das zur Ahnengalerie des F-Max. Als eigenständige Konstruktion hat er allerdings nicht mehr viel mit seinen Vorgängern gemein. Das Kabinenkonzept ist auf Höhe der Zeit, das Fahrwerk einfach, aber robust. Das Interieur gefällt: modernes Cockpit mit einem Mix aus analogen und digitalen Armaturen, gutes Raumgefühl dank Hochdach. Für mich neu und aus dem Flugzeug abgeschaut, bieten drei Airline-Gepäckablagen hinten unterm Dach eine Menge Stauraum – selbst bei Zweibett-Ausstattung wie im Testwagen. Allerdings: Die Matratze des oberen Betts ist so dünn, das sie wohl nur als weitere Ablage dienen soll. Man kann die obere Liege auch an die Rückwand klappen und hat dann richtig viel Platz.
Auch ein schönes Detail ist die mit einer Gummidichtung an der Tür versehene dritte Stufe im Einstieg. Dort stellt der Bau-Trucker ja gerne die Stahlkappen ab, um das heimische Nest nicht mit dickem Lehm zu kontaminieren. Mit der Gummidichtung sollen die Treter auch bei Schietwetter trocken bleiben – eine gute Idee. Überhaupt fühle ich mich beim Erstkontakt sofort richtig wohl in dieser geräumigen Hütte. Das Lederlenkrad griffig, die Tasten fühlig, hier ist alles am richtigen Platz. Das Traxon-Getriebe kenne ich gut, kann also losgehen.
Auf der leichten Landstraße fühlen wir wie immer der Tachoeinstellung auf den Zahn und checken das Segelverhalten. Der Tacho ist gut abgerollt: Ein km/h müssen wir drauflegen, also 66 km/h für 65 echte sind am Tempomat zu setzen. Der F-Max ist zwar relativ bodenständig ausgestattet, verfügt aber über einen rudimentär arbeitenden GPS-Tempomaten. Dessen Qualitäten entsprechen nicht ganz den Erwartungen, wie sie für Fernverkehr-Trucks gelten. Aber für den Einsatz als Kipper-Zugmaschine ist das auch nicht entscheidend. Auch eine Eco-Roll-Funktion gibt es. Aber: Im F-Max funktioniert Eco-Roll (ausgekuppelt Segeln) nur, wenn der Tempomat nicht aktiviert ist. Normalerweise ist das genau andersherum, beziehungsweise funktioniert Eco-Roll unabhängig von der Tempomat-Einstellung. Weitere Beobachtung: Die Radarsteuerung, also Tempomat mit Abstandsregelung (ACC), lässt sich nicht abschalten. Könnte sein, dass diese beiden Beobachtungen zusammenhängen, denn es ist ziemlich aufwendig, das freie Rollen in die ACC-Funktionen einzubinden.
Auf der Autobahn rollt der F-Max sehr ruhig und gelassen vor sich hin. Das Innengeräusch ist mit 61 dB(A) ausgesprochen leise, lediglich Wind und ein wenig Reifen sind zu vernehmen, die Maschine meldet sich nur mit sonorem Gebrummel, ganz tief aus dem Keller. Seine für einen 480-PS-Motor reichlichen 2.500 Nm sorgen im schmalen Bereich zwischen 1.000 und 1.200 Umdrehungen für eine Volllast-Leistung von 400 PS bei 1.100 Umdrehungen. Hier rollen wir mit 84 km/h Marschgeschwindigkeit und Teillast. Gut: In Steigungen schaltet das Traxon schon relativ früh runter, sodass Anstiege relativ flott angegangen werden. Kurz vor Ende der Steigung schaltet er trotz genügend Drehzahlreserve doch in den Elften, obwohl man hier in dieser Leistungsklasse noch gut im höchsten Gang die Kuppe erreicht. Will sagen: Vom Leistungsangebot her und seiner Umsetzung über den Triebstrang zeigt sich der F-Max durchweg auf Höhe der Zeit. Zwar nicht supersparsam und superlang übersetzt, lässt er sich dennoch drehmomentorientiert fahren, wenn man hier und da eingreift und dadurch zu hohe Drehzahlen vermeidet. Vom Fahrgefühl her ist das ziemlich beeindruckend.
Lenkung mit engem Kontakt zur Straße
Nach geraumer Zeit auf der Autobahn, lerne ich die andere, positive Seite dieser Minimal-Servolenkung schätzen. Sie ist mit nur vier Lenkrad-Umdrehungen von ganz links nach ganz rechts extrem direkt übersetzt und vermittelt daher auch viel Kontakt zur Straße. Das andere Extrem wäre etwa eine geregelte, elektrisch gesteuerte und unterstützte Lenkung. Die sich zwar mit dem kleinen Finger fahren lässt, dafür aber keinerlei Rückschlüsse mehr auf die Fahrbahnbeschaffenheit zulässt. Ganz anders dieses Volant: Auf der Langstrecke zieht der F-Max wie auf Schienen seine Bahn.
Auch die sehr straff aufgehängte Kabine vermittelt viel Kontakt zur Fahrbahn, wenn auch eher unerwünschten: Querrillen vibrieren praktisch ungedämpft bis in den Fahrersitz, sodass ich – was selten nötig ist – die Dämpfung des orthopädisch sehr gut gemachten Fahrersitzes auf weich stelle. Erstaunlich, wie straff man eine an vier Punkten luftgefedert aufgehängte Kabine gestalten kann. Und noch erstaunlicher: Zwar kommen kurzfrequentige Querstöße voll durch, akustisch ist davon aber so gut wie nichts wahrzunehmen.
Allenfalls die Ventilhebel-Motorbremse ist auf unseren kurzen und langen Gefällen gut zu vernehmen. Erstaunlich dabei: Obwohl dieser F-Max mit Retarder ausgestattet ist, haut zuerst mal die Motorbremse ihre ganze Verzögerung rein. Unter Bergab-Tempomat heißt das: Fängt die Fuhre an im Gefälle zu laufen, aktiviert der Tempomat erst mal die Motorbremse. Und zwar richtig: Per Rückschaltung werden 2.000 Touren angepeilt, erst dann greift zusätzlich der Retarder ein, wenn das dann noch nötig sein sollte. Auch hier wieder eine Umkehrung des Üblichen: Die Konkurrenz passt die Bergab-Geschwindigkeit erst mal so lange es geht mit dem Retarder an, und erst danach oder als Stütze mit der Motorbremse. Beim F-Max aber hat man das Gefühl, dass der Motor – beziehungsweise sein Steuergerät – nicht weiß, dass auch noch ein Retarder an Bord ist. Entsprechend vehement und laut bremst der Zug dann auch. Zieht man den Retarder händisch, ist ebenfalls gleich die Motorbremse aktiviert und initiiert dann meist eine Rückschaltung, die weder beabsichtigt und schon gar nicht nötig gewesen wäre. Eine sanfte Beibremsung funktioniert deshalb mit der Fußbremse noch am besten.
Verwöhnt von extrem genau abgestimmten Assistenzsystemen und höchst differenzierter Zusammenarbeit der verschiedenen Steuerkreise in einem Lkw heutiger Prägung, versetzt mich diese nur rudimentär vorhandene Vernetzung der Systeme im F-Max dann doch in großes Erstaunen. Da arbeiten viele Steuergeräte aneinander vorbei statt miteinander.
Das mag auch Grund für die doch deutlich höheren Verbrauchswerte als State-of-the-Art-Trucks moderner Prägung sein. Gerade die hochgradige Vernetzung aller Systeme, inklusive GPS-Tempomat, hat hier doch einiges Spritspar-Potenzial ermöglicht. Dass der F-Max gemittelt rund 13 Prozent über dem Verbrauchsniveau der hier gegenübergestellten Actros 1848 und MAN TGX 18.470 rangiert, hat viel mit seinem geringen Vernetzungsgrad und den nur mangelhaft zusammenarbeitenden Systemen zu tun. Dennoch: Angesichts seiner munteren Leistungsentfaltung und vor allem aufgrund seiner robusten Grundkonstruktion scheint der Ford F-Max ein interessanter Kandidat für selbstfahrende Unternehmer im Bau- und Baustoffbereich zu sein. Preislich interessant ist er zudem.
Standpunkt
Robert Domina, bd-Nutzfahrzeug-Experte, Pietenfeld
Der Begriff Grobmotoriker für den F-Max ist keine Verunglimpfung, sondern eher ein Kompliment: Er ist tatsächlich ein Typ fürs Grobe. Für Anwender, die wenig Wert auf ausgefuchste Assistenzsysteme legen und nach dem Motto kaufen: keep it simple. Denn fährt man ihn, wie man früher einen Lkw gefahren hat, nämlich per Hand, Fuß und ein wenig Hirn, dann lässt der Antriebsstrang vor allem durch sein kräftiges Drehmoment kaum Wünsche offen. Der Verbrauch ist für heutige Maßstäbe zu hoch. Die beiden aktuellen Modelle der hiesigen Hersteller erzielen Autobahnverbräuche von knapp unter 25 l/100 km – das ist heute Standard. Knapp unter 30 l/100 km liegen die gleichen Typen – nur von vor acht bzw. elf Jahren. Das lässt den Schluss zu, dass der F-Max zwar äußerlich einem modernen Truck mit guter bis sehr guter Aerodynamik gleicht, aber unterm Blech technisch nicht auf Höhe der Zeit ist.
Bleibt der Preis: Die 76.000 Euro, die F-Trucks in Crailsheim für den F-Max aufruft, sind sicher ein fairer Preis für diesen robusten Arbeiter. Weil aber die Sprit- nach den Lohnkosten der weit wichtigere Faktor bei den Gesamtkosten sind, wird der F-Max nur schwer seinen Weg in die großen Flotten finden. Als Solitär, als Einzelstück, könnte er jedoch für so manche Anwendung durchaus interessant sein: Wenig Jahreskilometer, robuster Einsatz im Bau oder in der Landwirtschaft – das könnten Betriebsfelder sein, die man mit dem F-Max bestellen kann.