Reibungslose Kranmontage auf 2.000 m Höhe
Am größten Gletscher Frankreichs, dem Mer de Glace, entsteht derzeit ein neues Gletscher- und Klimainterpretations-Zentrum inklusive neuer Seilbahn. Maßgeblich am Bau beteiligt ist ein Liebherr-Kran 150 EC-B 8 mit 45 m langem Ausleger und 42 m Hakenhöhe. Für die Baustelle auf knapp 2.000 m Höhe war der Flat-Top-Kran eigentlich nicht die erste Wahl. Er kam zum Zug, weil das Gewicht seiner Einzelteile der Transportkapazität des Helikopters entsprach.
Ein Kraneinsatz in dieser Höhe ist ein komplexes Unterfangen und ausschließlich mit Helikopterunterstützung möglich. Dadurch gleich zu Projektbeginn die Crux bei der Kranauswahl: Eigentlich erforderte die Baustelle wegen der zu bewegenden Lasten einen Kran im Bereich von 250 mt. Diese Einheit berechnet sich aus der Ausladung (m) und der Traglast (t) und dient zur Klassifizierung der Krangröße. Da ein solcher Kran aber zu schwer für die Helikoptermontage ist, suchte Liebherr gemeinsam mit den Kunden Solumat GAT (Materialsparte der Vinci Gruppe) und CBCE Grenoble (lokales Bauunternehmen der Vinci Gruppe) nach wirtschaftlichen Alternativen.
Je nach Temperatur und Höhe kann der Hubschrauber maximal 3.800 kg bewegen. Da brachte Liebherr einen 150 EC-B 8 ins Spiel, weil der Gegenausleger mit 3.600 kg nicht zu schwer für den Hubschrauber ist. Zudem kann der Flat-Top-Kran dank seines flexiblen Konzepts mühelos in mehrere Einzelteile zerlegt werden. Elemente wie der Kompaktkopf, Drehbühne, Kabine und Schaltschrank lassen sich schnell wieder miteinander verbinden. Gleichzeitig passten Architekten und Baufirma das Konzept für die Baustelle so an, dass die zu bewegenden Lasten die maximale Tragfähigkeit des Krans (8 t) nicht überschreiten. Dies gelang unter anderem durch den Einsatz leichterer Betonelemente.
Nachdem der Fundamentanker im Bergmassiv befestigt worden war, transportierte der Helikopter ein Turmstück nach dem anderen zur Bergstation Montenvers auf 1.913 m Höhe. Vier Monteure des Liebherr-Partners FT Montage und sechs Flugassistenten von Heliswiss International haben die Elemente aus der Luft entgegengenommen, durch Bolzen miteinander verbunden und sich so auf über 40 m Turmhöhe vorgearbeitet. „Die Montage war eine wahre Teamarbeit, die ohne gegenseitiges Vertrauen nicht möglich gewesen wäre“, sagt Guillaume Riband, Betriebsleiter Frankreich Zentrum-Ost von Vinci Construction France. „Alle haben an einem Strang gezogen und die Herausforderung dadurch gemeistert.“
Für diesen schwierigen Einsatz gewann FT Montage sogar den Preis für die Montage des Jahres, der jährlich von der CPMDG (Fachkommission für Berufe und Geräte des Turmdrehkrans) des DLR-Verbands vergeben wird. Dank einer passenden Kranauswahl, guter Vorbereitung und eines eingespielten Teams klappte der Kranaufbau am Mont Blanc reibungslos in rund acht Stunden. Für die Anlieferung aller Kranteile und Turmsysteme flog der Kamov KA 32 A11 BC, ein leistungsfähiger Schwerlasthelikopter, an diesem Tag 30-mal hin und her. Der Lagerort wurde so gewählt, dass ihn Lastwagen gut anfahren konnten und ausreichend Fläche zu Verfügung stand. Die Wahl fiel auf ein Gebiet in Chamonix am Fluss Arveyron, etwa 3,5 km von der Bergstation Montenvers entfernt. Die relative kurze Entfernung half, die Flugzeiten und damit die Tankvorgänge möglichst gering zu halten.
Für Heliswiss International und Liebherr war es nicht die erste erfolgreiche Helikoptermontage. 2015 brachten sie per Hubschrauber einen Flat-Top-Kran 150 EC-B 6 zum Bau der neuen Eibsee-Seilbahn auf die Zugspitze. In 2.975 m Höhe markierte dieser Kran damals Deutschlands höchste Baustelle. Ganz so hoch hinaus geht es für 150 EC-B 8 in Frankreich zwar nicht, aber auch dort herrschen in den Wintermonaten Minustemperaturen im zweistelligen Bereich. Für Liebherr-Turmdrehkrane kein Problem – sie sind dafür ausgelegt.
Steckbrief
Am Mer-de-Glace-Gletscher im französischen Mont-Blanc-Gebiet soll künftig ein internationales Gletscher- und Klimainterpretations-Zentrum Schüler, Touristen und Einwohner noch besser für die Auswirkungen des Klimawandels sensibilisieren und ihnen die mit der globalen Erwärmung verbundenen Phänomene verständlich machen. Das neue Glaciorium kostet inklusive der neu gestalteten Seilbahnstation Montenvers mehr als 50 Mio. Euro und soll im Dezember 2024 fertiggestellt werden. Der Eingriff in die Natur wird dabei so gering wie möglich gehalten: Bei Energieverbrauch und Abfallentsorgung erfüllt das Projekt hohe Standards.