Fahrbericht 6/2024 Baustoff-Lkw mit Heckkran und Abroll-Kipper

Fahrbericht: DAF XD und XF im Test

Tiefergelegt als 8×2 oder 8×4 in robust und hochbeinig – das ist eine Einsatzentscheidung. DAF kann beides liefern: Die 8×2-Baustoff-Pritsche mit Heckkran oder den 8×4-Tridem für den Abroller. Ob als niedrig bauender XD mit dem 11-l-Motor oder als robuster XF mit dem 13-l-Motor. Wir haben beide gefahren.

DAF XF und XD
DAF kann mit der XF- und der leichteren XD-Reihe exakte Zuschnitte für den Baustoffhandel anbieten: Den etwas leichteren XD mit dem 11 l großen MX-11-Motor und den schweren XF mit dem bulligen, 13 l großen MX 13. Der Achsenbaukasten erlaubt die einsatzgerechte Achskonfiguration – FAW heißt der 8×4-Vierachser mit Nachlaufachse, FAQ der 8×2 mit gelenkter Vor- und Nachlaufachse. (Bilder: bd/Domina)

Das hätte ich jetzt nicht erwartet: Voll beladen mit 17-mt-Kran am Heck fährt sich der 8×2 XD vergleichsweise sportlich. Als hätten sie ihn tiefergelegt. Haben sie ja auch: Und die Knie danken es auch, nebenbei bemerkt. Der Einstieg in den XD fällt eindeutig leichter aus. Nur 32 cm trennen die erste Stufe von der Straße, beim XF sind zum Auftakt schon mal 48 cm als erster Schritt nötig. Die Kabinenböden sind entsprechend unterschiedlich: Nur 123 cm liegt der Boden der XD-Kabine über der Straße, 148 cm sind es beim XF. Zwei völlig unterschiedliche Tridem-Vierachser, die wir hier vor uns haben.

Aber dem Zweck entsprechend: Hier der robuste 8×4 FAW – was immer diese kryptischen Kürzel bei DAF bedeuten mögen – mit Abrollkipper-Aufbau, dort die 8×2-Baustoff-Pritsche mit Heckkran. Beide sind Vierachser, dürfen auf unseren Straßen nur mit maximal 32 t Gesamtgewicht unterwegs sein. Das ist nicht gerade effizient, dürfen die Vierachser gleicher Bauart in Holland doch bis zu 41,5 t solo transportieren, mit einem dreiachsigen Drehschemel-Anhänger wären es sogar 50 t mögliches Gesamtgewicht. Bei so viel Transport-Effizienz können einem schon mal die Augen tränen.

Pro & Kontra:

DAF XF und XD

XD: besonders tiefer Schwerpunkt, sehr gute Fahrbarkeit, Abrollkomfort
XF: kräftiges Chassis, hoch aufgesetzte Kabine, niedrige Motorkiste
Beide: Corner-View-Spiegel-Ersatz, Fenster in Beifahrertür
XF FAW für Solo-Einstz etwas kurz übersetzt
Beide: Gangbeeinflussung nur über Schalter Eco Off

Aber gut. Wir hier müssen uns beim Vierachser nun mal mit um die 17 t Nutzlast begnügen – beim Kipper. Der 8×2 aus DAFs neuer XD-Baureihe (vormals CF) bietet mit 16,5 t Nutzlast trotz Heckkran eine erstaunlich hohe Nutzlast. Zum Vergleich: Der 8×4-Abroller kommt hier nur auf 14,2 t reine Nutzlast, also dem, was im Abrollbehälter am Ende drin sein darf. Dessen Heckpartie ziert sogar ein pneumatisch ausfahrbarer Unterfahrschutz, weil die Behälter ja durchaus unterschiedlich lang sein können. Da muss sich das Chassis per flexiblem Unterfahrschutz anpassen können. Leicht ist die Scherenkonstruktion dieses Aufprallschutzes ganz gewiss nicht.

Armaturenbretter beim XF und XD
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Aber: Wir sehen beim FAW eine Maulkupplung samt Elektro- und Bremsanschlüssen. Der könnte also einen Hänger ziehen. In Holland wäre das ein Geschäft – bei uns wiederum nicht. Den wie soll so ein Anhänger mit maximal 8 t Gesamtgewicht (um die 40 t voll zu machen) bitte aussehen – denkbar wäre ein kurzer Absetzer, den man mal schnell zu einer Baustelle mitnehmen könnte. Dann aber nervt der Hänger eigentlich nur noch, weil man ihn immer abkuppeln muss, um den Abrollbehälter loswerden zu können. Praktikabel ist das hierzulande alles nicht.

Der 8×4 als Tridem mit gelenkter und liftbarer Nachlauf-Achse lässt sich trotzdem bei uns sinnvoll einsetzen. Denn bei der gegebenen Größe ist er vor allem eines: wendig. Er ist sogar wendiger als der 8×2 mit zwei gelenkten Achsen im Tridem. Ich lerne: Bei diesem Vergleich kommt es nicht auf die Anzahl der gelenkten Achsen an, sondern auf den Radstand. Misst man hier von der Mitte der angetriebenen Achse beim 8×2 gegen Mitte des angetriebenen Doppelachs-Aggregates beim 8×4, stellt sich heraus: Der kurvenrelevante Radstand beim 8×4 FAW ist etwa 50 cm kürzer, mithin ist sein Wendkreis kleiner. Noch kleiner wäre er – zumindest bei Leerfahrt – hätte DAF eine angetriebene und zudem liftbare Antriebsachse im Angebot. Dem ist nicht so, das können derzeit nur die Skandinavier.

Ist beim Vierachser aber auch nicht wirklich kriegsentscheidend. Bei Leerfahrt können sowohl der FAQ (8×2) als auch der FAW (8×4) sämtliche Vor- und Nachlaufachsen auch liften, was die Wendigkeit abermals erhöht. In Sachen Reifenverschleiß dürfte, das bestätigt auch der DAF-Test-Expert Uwe Müller, der 8×2 leichte Vorteile haben. Eins haben beide gemein: Eine stark übersetzte Lenkung. Fünf und eine Viertel Lenkradumdrehungen von ganz links nach ganz rechts erfordern flinke Lenkarbeit im Kreisverkehr. Zum Vergleich: Eine normale Straßen-Sattelzugmaschine kommt mit gut vier Lenkradumdrehungen aus. Warum die hohe Übersetzung? Sie ist dem Mehraufwand durch die Lenkachsen geschuldet, die im Normalfall per Stange vom vorderen Lenkhebel aus bedient werden. Ist mehr als eine Achse im Tridem gelenkt – wie beim FAQ – betätigt DAF die letzte Lenkachse per Elektrohydraulik. Das ist einfacher als noch eine Stange über die Antriebsachse zu führen.

Die Frage, ob 11 oder 13 l Hubraum stellt sich beim XD erst gar nicht. Ihn gibt es nur mit dem 10,8 l großen MX 11. Fünf Leistungsstufen stehen hier zur Auswahl, nämlich 299, 341, 367, 408 und 449 PS. Letztere, die stärkste Version, treibt unseren XD 450 FAQ 8×2 an. Beim XF sind dagegen beide Hubraumvarianten erhältlich, den MX 13 gibt es mit 428, 483 und 530 PS. Unter der Kabine unseres FAW werkelt der 483-PS-Sechszylinder mit 2.350 Nm, respektive 2.500 Nm als Top-Torque-Drehmoment, das die Motorelektronik bei Bedarf abrufen kann. Eine andre Frage stellt sich sehr wohl: Ob es immer der dicke Motor sein muss. Nein, gerade im nutzlastsensiblen Baugeschäft tut es der kleinere Motor mit 450 PS allemal. Immerhin ist er fast 300 kg leichter als der große MX 13. Mit der richtigen Übersetzung lässt sich damit auch im Bergland prima vorankommen.

Apropos Übersetzung: Bei unserem kleinen Test-Match war es gerade umgekehrt, der XD 8×2 war mit einer 2,64er-Hinterachse sogar einen Tick länger übersetzt als der 8×4 mit seinem Doppelachsaggregat in 2,83er-Ratio. Bei 85 km/h im höchsten, direkten Gang macht das immerhin knapp 100 Umdrehungen aus, die der MX 11 in diesem Fall weniger dreht.

Auch deshalb fährt sich der 8×2 geschmeidiger, sanfter. Bei 85 km/h Marschgeschwindigkeit dreht er gemütliche 1.200/min und hängt damit noch sehr gut am Gas. Dank GPS-Tempomat PCC (Predictive Cruise Control) weiß der XD genau, wann und ob überhaupt per Rückschaltung die eine oder andere Sekunde am Berg zu holen ist. Meistens lässt er’s denn auch und prüft per Drehmoment-Erweiterung (Top-Torque), ob sich der Berg zwar etwas langsamer, dafür aber ohne Schaltunterbrechung bezwingen lässt. Die gleiche Fahrstrategie gilt freilich auch für den XF. Nur dass der mit der etwas kürzeren Übersetzung und 1.300/min bei 85 km/h nur selten darüber nachdenken muss, ob ein Gangwechsel hilfreich wäre. Insofern ist der XF 480 FAW 8×4 für unsere Gewichte fast schon zu kurz übersetzt. Das ginge sicher auch länger und damit logischerweise auch sparsamer. Auch in bergiger Gegend – wofür schleppen wir schließlich ein automatisiertes Zwölfgang-Getriebe mit.

Dass die beiden unisono auf einen Sekundär-Retarder verzichten, ist angesichts der leistungsstarken MX-Engine-Break nachvollziehbar. In drei Stufen beordert sie zuerst die Auspuffklappe, dann die Ventilbremse der ersten drei Zylinder und schließlich alle sechs Zylinder in den Bremsmodus. Das reicht bei den gegebenen 32 t Maximalgewicht locker als verschleißlose Bremse aus. Ein Brake-Blending, das automatisch die Betriebsbremse zuschaltet, wenn der Computer zurückschaltet, gibt’s bei DAF (noch) nicht. Ist bei diesem Gesamtgewicht aber auch nicht wirklich nötig, weil die Rückschaltungen sehr schnell erfolgen und ein Davonlaufen nicht zu erwarten ist.

Die DAF-Entwickler in Eindhoven haben sich in den vergangenen beiden Jahren ja mächtig ins Zeug gelegt, ihren Bau-Mehrachsern ein paar Traktions-Gadgets zu spendieren. Dazu gehört der Freischaukel-Modus, den beide Vierachser hier eingebaut haben. Und dazu gehört auch ein Gelände-Modus, der die Schaltpunkte etwas nach oben drückt und etwas mehr Drehzahl zulässt. Vielleicht noch wichtiger bei den Mehrachsern, insbesondere mit Tridem-Aggregat, sind jene Hilfestellungen, die kurzzeitig den Aufstandsdruck der Antriebsache(n) erhöhen. Auch die haben FAQ und FAW zu bieten. Beim 8×2 FAQ können zum Beispiel die Vor- und Nachlaufachse per Knopfdruck entlastet werden, was die Antriebsachse in der Mitte mit bis zu 15 t Aufstandsdruck ausstattet. Gerade bei Leerfahrt und zweifelhaftem Untergrund ist das eine feine Anfahrhilfe. Beim 8×4 funktioniert das ähnlich, nur dass hier die Nachlaufachse entlastet beziehungsweise bei Leerfahrt sowieso gelupft wird.

Bei der Erneuerung der leichten Reihe, also der Transformation von CF zu XD, widmeten sich die Holländer explizit den Sichtverhältnissen und der Fußgänger-Sicherheit. Mit dem Kamera-System Corner View sind Rampen- und Frontspiegel nun endgültig Vergangenheit. Als einzige von Anfang an richtig gemacht haben die Eindhovener auch das untere Sichtfenster in der Beifahrertür: Es ist erstens groß genug, liegt zweitens in der richtigen Sichtachse zum Fahrer und ist drittens nur mit dem Kino-Sessel zu haben. Dessen Sitzfläche ist bei Solo-Crew immer nach oben geklappt – wie im Kino eben – und gibt immer den Blick aufs Türfenster frei. Bei Zweimann-Besatzung muss man sich dann halt die Knie des Beifahrers wegdenken. Aber im Ernst: Selbst dann bietet die Corner-View-Kamera immer noch einen freien Blick in die Toten Winkel neben und vor dem Lkw.

Klar, der 8×2 XD hat mir schon immer gefallen. Sein niedrig aufgesetztes Fahrerhaus bedingt zwar eine höhere Motorkiste. Dafür liegt der ganze Schwerpunkt des Trucks deutlich tiefer. Das ist beim Fahren deutlich spürbar. Eine etwaige Wankneigung konnte ich trotz des schweren und hoch aufragenden Heckkrans nicht feststellen. Durch die geringe Sitzhöhe über der Fahrbahn ist nicht nur die Straßenbeschaffenheit, sondern auch das ganze Umfeld inklusive Fußgänger und Radfahrer besser wahrnehmbar. Auch die vor den A-Säulen gewölbte Windschutzscheibe erlaubt viel bessere Sicht nach vorn und zu den Seiten.

Bei unseren kurzen Proberunden erweist sich der 8×2 auch als der leisere Kandidat. Zwar ist der Level an Motorgeräusch bei beiden sehr zurückgenommen, der MX 13 im 8×4 klingt vielleicht einen Tick präsenter. Erstaunlich auch der Abrollkomfort des 8×2: Er läuft trotz der luftgefederten Vor- und Nachlaufachsen untypisch leise über Querrillen. Gespannt wäre ich ja, wie sich der 8×2 bei Leerfahrt präsentiert. Sicher nicht ganz so in sich ruhend und auf jeden Fall hecklastiger. Vielleicht laden wir beim nächsten Mal die Betonblöcke mal kurz ab. Den Kran dafür hätten wir ja dabei.