Baggertest 9/2024

Kurzheck-Mobilbagger PW 168-11 und 198-11 von Komatsu im Test

Auf der Bauma 2022 waren sie bei der Demo-Show noch im Erlkönig-Tarnkleid unterwegs, jetzt sind die Mobilbagger PW 168-11 und PW 198-11 verfügbar. Wir hatten die exklusive Gelegenheit, sie im Komatsu-Werk in Hannover ausgiebig zu testen.

Komatsu PW 198-11 Mobilbagger
Stellt sich dem bd-Baggertest: Der PW 198-11 ist mit maximal 19,4 t Einsatzgewicht zurzeit der schwerste Vertreter im Mobilbagger-Programm von Komatsu. (Bilder: bd/Bömer)

Nachdem Komatsu 1989 die Aktienmehrheit von Hanomag übernommen hatte, wurden in der Leinestadt zunächst Radlader des japanischen Herstellers produziert. Was naheliegend war, da diese Maschinengattung ja zu den langjährigen Kern-Produkten gehörte. Dass man später den Entschluss fasste, auch die Mobilbagger in das Hannoveraner Werk zu verlagern, hat sich als weitsichtige Entscheidung erwiesen – die PW-Serie ab 14 t wird komplett dort entwickelt und produziert. Mit dem weitläufigen Test- und Demogelände hat man dafür auch ideale Bedingungen, einschließlich großem Rundkurs mit definierten Steigungs- und Gefällestrecken.

Produktmanager Michael Wadsack erklärt, dass der Entwicklung der beiden neuen Modelle umfangreiche Kundenbefragungen vorausgegangen seien. Dabei hätten sich einige zentrale Anforderungen herauskristallisiert: kompakte Bauweise, möglichst große Hubkraft und geringe Transporthöhe für überfahrbare Standard-Tieflader. Dafür, dass Mobilbagger mit reduziertem Heckschwenkradius vor Jahren beinahe einmal in Vergessenheit geraten wären, erfreuen sie sich mittlerweile großer Beliebtheit. Bei Komatsu stellen sie inzwischen die Mehrheit im Portfolio der Mobilbagger.

Der erste Eindruck

Die neuen Komatsu-Mobilbagger haben ein durchaus vertrautes Erscheinungsbild. Das liegt unter anderem daran, dass das Design der Kabine in leicht abgewandelter Form bereits in vorangegangenen Serien Verwendung fand. Wer das etwas angestaubt findet, sollte auch hinterfragen, ob eine kostenintensive Neugestaltung tatsächlich einen greifbaren Mehrwert für den Nutzer bringt. Erkennbar sind die beiden Neuen jedenfalls an der Linienführung der Konturen im Gegengewicht.

Hauptunterschied zwischen beiden Typen ist wiederum ein um 5 cm größerer Heckschwenkradius beim PW 198-11. Das daraus resultierende größere Gegengewicht ermöglicht ihm folglich auch größere Hubkräfte. Ansonsten unterscheiden sich die Maschinen in ihren Abmessungen kaum. Eine Breitspurachse (2,75 m) ist für beide bestellbar. Um auch bei den Fahrleistungen nicht gegenüber dem PW 168-11 abzufallen, verfügt der Größere über 129 statt 110 kW Antriebsleistung. Die Abgasstufe V wird bei den Vierzylinder-Motoren mittels DPF und SCR erreicht. Den Partikelfiltern auf den konzerneigenen Motoren sagt Komatsu eine Lebensdauer von 8.000 Betriebsstunden bis zum Austausch voraus.

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Für Nutzer, die einen Anhänger betreiben möchten, gibt es eine abnehmbare Maulkupplung im Planierschild als Option. Bei Nichtbenutzung kann die Kupplung im Staukasten verwahrt werden, die Öffnung im Schild wird mit einem mitgelieferten Stopfen sauber verschlossen. Wer Zusatzhydraulik für einen Kipper benötigt, bekommt auch diese in die Nähe der Anhängerkupplung verlegt.

Die Transporthöhe auf dem Tieflader überschreitet mit keiner Ausleger/Stiel-Kombination die Kabinenhöhe von 3,10 m, was eine Betthöhe von 90 cm erlaubt, um die kritische 4-m-Marke einzuhalten. Dass es für den Transport auf einem Fahrzeug entsprechend zugelassene Anschlagpunkte zur gesetzeskonformen Ladungssicherung benötigt, scheint inzwischen den meisten Herstellern zur Selbstverständlichkeit geworden zu sein. Bei Komatsu gibt es jeweils vorne und hinten auf dem Unterwagen-Rahmen zwei ausgesprochen robust wirkende Zurrpunkte. So kommt auch niemand in Versuchung, die Zurrkette an dem Greifer-Beißrohr zu befestigen. Letzteres ist bei den neuen PWs übrigens so geformt, dass auch ein 80er-Greifer während der Fahrt sicher sitzt – ob mit oder ohne Zähne.

Der gesamte Antriebsstrang stammt von ZF, wobei sich die langjährige Zusammenarbeit mit dem Zulieferer auszahlt. Es bestehen gute Kontakte zu dessen Spezialisten, eine genaue Abstimmung kann auf kurzem Weg erfolgen. Auf der rechten Seite gibt es unterhalb des Staukastens am Unterwagen einen stabilen ausziehbaren Rost, der als Podest zum Aufstieg genutzt werden kann. Will man weiter hoch auf den Oberwagen, gibt es dort rutschfeste Trittstufen und Handläufe, die einen sicheren Auf- und Abstieg ermöglichen. Bei Nichtbenutzung liegt dieser hinter einer abschließbaren Verkleidung, was Erkundungstouren von Unbefugten vorbeugt.

 

In der Kabine

Der Aufstieg zur Kabine gelingt dank beidseitiger großer Tritte am Unterwagen problemlos, auch beim Absteigen findet der Fuß ohne großes Rudern einen Halt. Die Kotflügel taugen dagegen nicht als Stufe, dafür sind sie ja auch nicht gedacht. Was genauso für die blanken Reifen gilt. Das Turnen über die Reifen oder das Absteigen in undefiniert verdrehter Position des Oberwagens sollte man sich ohnehin so früh wie möglich abgewöhnen – dabei passieren unschöne Unfälle. Der Profi fährt die geplante Abstiegsstelle mit dem Oberwagen in Fahrtrichtung an, eventuell einen Hauch nach rechts geschwenkt, damit die Tritte am Unterwagen ins Sichtfeld kommen. Die Kotflügel sollte man aber auf jeden Fall mitbestellen, denn auch bei flotter Fahrt und nassem Wetter verhindern sie sehr wirksam, dass der Oberwagen rundum besprenkelt wird.

Die schön schlanke Lenksäule lässt sich sehr weit verstellen und verschwindet damit komplett aus dem Sichtfeld beim Arbeiten. Geht der Blick nach oben, gibt ein großzügig dimensioniertes Dachfenster die Sicht frei, sehr angenehm bei Überkopf-Hindernissen. Zur guten Übersicht tragen auch die beiden großen Außenspiegel mit Weitwinkelsektion bei. Und mit dem Kamerasystem Kom-Vision gibt es dann auch wirklich keine toten Winkel mehr.

Die Fahrgeschwindigkeit wird mit einem Trittplattenventil reguliert, wobei sich der FNR-Schalter im rechten Joystick befindet. Die beiden neuen Bagger verfügen über die bewährte hydraulische Vorsteuerung, dabei besitzen die Joysticks alle Voraussetzungen, um etwa einen Tiltrotator oder die Joysticklenkung (Option) ohne Umbauten verwenden zu können. Per Knopfdruck wird die Funktion eines Joysticks umgeschaltet und steuert dann das Planierschild. Das war – die Älteren werden sich erinnern – beim O&K genauso. Und klar, das funktioniert. Ich persönlich würde mir, quasi als Schmankerl, die Option eines separaten Mini-Joysticks für diese Funktion wünschen. Der Schallpegel schließlich ist bei geöffneter wie auch geschlossener Tür ausgesprochen angenehm. Das passt zu dem angegebenen Wert von 69 dB(A) am Fahrerohr.

Im Testbetrieb

Auf dem Demogelände steht so ziemlich alles an Anbauteilen und Einsatz-Situationen bereit, was das Herz begehrt. Wenn vorhanden, baue ich gerne einen pendelnd aufgehängten Zweischalengreifer an, denn der sagt einiges über die Abstimmung von Feinfühligkeit und Geschwindigkeit aus – so auch hier. Es geht ja weniger darum, das Pendeln zu vermeiden, sondern eher, es sich zunutze zu machen. Natürlich muss man es auch wieder einfangen können, um beispielsweise in einem schmalen Grabenverbau arbeiten zu können. Das alles gelingt mit dem neuen Komatsu auf Anhieb. Richtig interessant wird es beim Mobilbagger ja eigentlich immer erst im unabgestützten Zustand. Denn dass er mit dem Schild am Boden wie festgedübelt steht, ist keine wirkliche Überraschung. Im innerstädtischen Einsatz ist das aber eher die Ausnahme, allein um die bauartbedingte Flexibilität voll nutzen zu können.

Dabei spielen natürlich die Reifen eine große Rolle. Bei dem Komatsu waren Delcora (Neu-)Reifen mit mitteltiefem Profil verbaut. Ein, wie ich finde, ganz gelungener Kompromiss, wenn sowohl auf der Straße, als auch auf weichem Untergrund gefahren wird. Die Standruhe ist deutlich besser als mit Single-Bereifung, aber es gibt auch noch vernünftigen Vortrieb im Gelände, ohne dass dabei so viel Dreck mitgeschleppt wird wie bei den Versionen mit Zwischenringen.

Allgemein machten die beiden Kurzheck-Bagger einen erstaunlich standsicheren Eindruck. Dass man einen Mobilbagger mit Tiltrotator und wassergesättigtem Material im Löffel quer zur Fahrtrichtung zum Kippen bringen kann, taugt da auch nicht wirklich als Gegenbeweis.

Apropos nass: An unserem Testtag zog ein Regengebiet nach dem anderen durch, und der Scheibenwischer kam fast dauerhaft zum Einsatz. Die beiden Radial-Wischer tun gewiss ihre Arbeit, aber irgendwie könnte man sich hier doch eine etwas gediegenere Lösung vorstellen.

Die automatische Baggerbremse (Verriegelung von Arbeitsbremse und Pendelachse im Stillstand) ist bei beiden Maschinen optional erhältlich, sollte aber unbedingt mitbestellt werden. Ich kann mir eigentlich keine Situation vorstellen, in der sie keine Vorteile bezüglich Komfort und Sicherheit bringen würde. Sie funktioniert auch beim Anfahren an Steigungen, ohne dass der Bagger die Neigung zeigt, rückwärts zu rollen – sehr angenehm. Insgesamt vermitteln beide Bagger trotz Kurzheck ein sehr sicheres Fahrgefühl, was nicht zuletzt daran liegt, dass man bei der Konstruktion die möglichst niedrige Bauhöhe im Blick hatte und damit gleichzeitig für einen vergleichsweise tiefen Schwerpunkt gesorgt hat.

Unser Fazit

Hersteller, die in Europa als Full-Liner wahrgenommen werden wollen, müssen wettbewerbsfähige Mobilbagger anbieten können. Komatsu stellt mit den beiden Neulingen unter Beweis, dass sie das Thema ernst nehmen. Sie schicken zwei grundsolide Kurzheckbagger für den urbanen Einsatz ins Rennen. Diese sind auf der Höhe der Zeit und ausgestattet mit den Attributen, die man bei einem Mobilbagger heute erwarten kann. Auf technischen Firlefanz wurde weitgehend verzichtet. Und das Ganze Made in Germany – das hat doch auch etwas.

Aller Anfang ist nicht leicht

Obwohl es im weltweiten Komatsu-Programm bereits Mobilbagger gegeben hatte, wagte man sich erst Mitte der 1980er-Jahre auf den anspruchsvollen deutschen Markt. Die Kettenbagger der Serie-3 konnten bereits beachtliche Verkaufserfolge vorweisen, und so stellte man auf dieser Basis den PW 150-1 auf die Räder. Einem bahnbrechenden Erfolg standen jedoch einige Hindernisse im Weg. Zum einen trat der Komatsu gegen ein sehr etabliertes Feld einheimischer Hersteller an, zum anderen ließ sich das Anforderungsprofil der Kettenbagger nicht eins zu eins auf die gummibereiften Exemplare übertragen. Die Art der Ausstattung musste noch an die Wünsche und Gepflogenheiten der hiesigen Kundschaft angepasst werden. Gemeinsam mit den Händlern wurden diese Hürden aber überwunden. Und die Entwicklung und Produktion in einen der größten Märkte für Mobilbagger zu verlegen, war ein durchaus cleverer Schachzug. Wo die Entwicklung nach fast vier Jahrzehnten steht, konnten wir eindrucksvoll an der Hanomagstraße in Hannover erleben.