Brennstoffzelle

Daimler lässt fünf GenH2-Actros von Kunden testen

Daimler Truck startet die kundennahe Erprobung von fünf Mercedes-Benz GenH2-Trucks. Mit dabei: Der Baustoffhandel-Konzern Holcim mit einem Silo-Sattel.

Daimler Actros mit Brennstoffzelle
Fünf verschiedene Einsätze werden ein Jahr lang genau beobachtet und Daten aufgezeichnet: Air Products transportiert Technische Gase in Flaschen mit einem 13,6-m-Auflieger samt Mitnahme-Stapler. Amazon benötigt nur einen Zweiachs-Auflieger für die Paket-Distribution. Baustoff-Logistiker Holcim hat sich für einen Silo entschieden, Ineos transportiert Vinyl- und PVC-Grundstoffe ebenfalls im Silo. Wiedmann & Winz betreibt Container-Zu- und Ablauf mit dem Brennstoffzellen-Actros. (Bild: Daimler)

Nach intensiven Erprobungen auf der Teststrecke und auf öffentlichen Straßen haben die GenH2-Trucks von Mercedes-Benz jetzt eine so weit fortgeschrittene Entwicklungsreife, dass sie sich im täglichen Logistikeinsatz in Kundenhand und in unterschiedlichsten Anwendungen bewähren können. Die fünf Trucks werden in Deutschland auf spezifischen Routen eingesetzt, beispielsweise zum Transport von Baustoffen, Seecontainern oder Flaschengasen. Dabei verbleiben die Fahrzeuge während der Erprobung in der direkten Betreuung und Verantwortung des Herstellers. Betankt werden sie an dafür vorgesehenen Flüssigwasserstoff-Tankstellen (sLH2) in Wörth am Rhein (Rheinland-Pfalz) und im Raum Duisburg (Nordrhein-Westfalen).

„Bei der Dekarbonisierung des Transports setzen wir auf batterieelektrische und wasserstoffbasierte Antriebe. Die Transformation kann nur gelingen, wenn grüne Energie ausreichend und flächendeckend verfügbar ist – und dafür brauchen wir beide Technologien“, sagt Martin Daum, Vorstandsvorsitzender von Daimler Truck. „Beim Wasserstoffantrieb machen wir nun einen weiteren wichtigen Schritt in Richtung Serienreife: Wir starten die Erprobung unserer Mercedes-Benz GenH2-Trucks im realen Transportalltag mit unseren Kunden.

Derzeit gibt es nur zwei Tankstellen für flüssigen Wasserstoff: Die eine (Bild) steht auf dem Daimler Gelände in Wörth, die andere demnächst in Duisburg, nähe Hafen.

Wichtig ist allerdings: Leistungsfähige CO2-neutrale Fahrzeuge allein werden nicht genügen, es ist auch eine entsprechende Lade- und Tank-Infrastruktur erforderlich sowie Kostenparität mit konventionellen Fahrzeugen.“

Die Entwickler von Daimler Truck haben dem GenH2-Truck die Eigenschaften des konventionellen Actros-Fernverkehrs-Lkw hinsichtlich Zugkraft, Reichweite und Leistungsfähigkeit zugrunde gelegt. Die Brennstoffzellen-Trucks bieten bis zu 42 t Zug-Gesamtgewicht, bei einer Zuladung von zirka 25 t. Die hohe Zuladung und große Reichweite werden durch zwei vakuumisolierte Flüssigwasserstofftanks sowie ein leistungsfähiges Brennstoffzellensystem von Cellcentric, Joint Venture von Daimler Truck und der Volvo Group, erreicht. Sie sind das Herzstück des GenH2-Truck.

Das Brennstoffzellensystem liefert 300 kW (2 × 150 kW), eine eingebaute Pufferbatterie leistet zeitlich begrenzt zusätzlich bis zu 400 kW. Das Speichervermögen der Batterie ist mit 70 kWh vergleichsweise gering, da die Batterie nicht für den Energiebedarf, sondern hauptsächlich zur situativen Leistungsunterstützung der Brennstoffzelle dazugeschaltet wird. Dies geschieht beispielsweise bei Lastspitzen während der Beschleunigung oder bei voll beladenen Bergauffahrten. Gleichzeitig ermöglicht die vergleichsweise leichte Batterie mehr Zuladung und wird durch Brems- und überschüssige Brennstoffzellen-Energie aufgeladen. Kernelement der ausgeklügelten Betriebsstrategie von Brennstoffzellen- und Batteriesystem ist ein Kühl- und Heizsystem, das alle Komponenten auf passender Betriebstemperatur hält – für eine möglichst hohe Langlebigkeit von zehn Jahren oder 1,5 Mio. km Laufleistung. Die beiden Elektromotoren sind in einer Vorserienversion auf insgesamt 2 × 230 kW Dauer- und 2 × 330 kW Maximalleistung ausgelegt. Das Drehmoment liegt bei zwei Mal 1.577 Nm beziehungsweise zwei Mal 2.071 Nm.

Tanken von flüssigem Wasserstoff
Der große Vorteil beim Tanken von flüssigem Wasserstoff: Es geht schnell. Zwei Mal 40 kg für gut 1.000 km sind in 13 bis 15 Minuten in die vakuumisolierten Tanks gepumpt.

Die zwei Flüssigwasserstoff-Edelstahltanks mit einem hohen Fassungsvermögen von je 44 kg ähneln in ihrem Aufbau den bekannten Edelstahl-Tanks für LNG-Trucks: Der zweischalige Aufbau ermöglicht effiziente Vakuumisolierung zur Erhaltung der Temperatur- und Druckverhältnisse des flüssigen Wasserstoffs. Eine Tankfüllung von rund 2 × 40 kg erlaubt – Versuche und diverse Rekordfahrten haben dies bestätigt – Reichweiten von gut 1.000 km und mehr.

Bei der Entwicklung wasserstoffbasierter Antriebe bevorzugt Daimler Truck flüssigen Wasserstoff. Der Energieträger hat in diesem Aggregatzustand im Vergleich zu gasförmigem Wasserstoff eine deutlich höhere Energiedichte. Dadurch kann mehr Wasserstoff transportiert werden, was die Reichweite deutlich erhöht und in Folge eine vergleichbare Leistungsfähigkeit wie ein konventioneller Diesel-Lkw ermöglicht. Der Transportaufwand von Flüssigwasserstoff lässt sich deutlich reduzieren, zudem bieten Flüssigwasserstofftanks gegenüber gasförmigem Druckwasserstoff Vorteile bei Kosten und Gewicht. So ermögliche der Einsatz von Flüssigwasserstoff unter anderem eine höhere Nutzlast.

Cellcentric-Brennstoffzelle
Zwei solcher Cellcentric-Brennstoffzellen wandeln Wasserstoff zusammen mit Sauerstoff aus der Luft in elektrische Energie um. Eine Unit wiegt rund 230 kg, zwei davon sitzen aufrecht stehend, wie hier im Modell, unter der Actros-Kabine. Damit sind die Brennstoffzellen deutlich leichter als jeder 12-l-Dieselmotor, der mindestens 1.100 kg auf die Waage bringt. (Bilder: bd/Domina)