Balkon aus Carbon
Bei einem neuen Wohnkomplex im süddeutschen Wangen kommen ein besonderes Nutzungskonzept und eine extra nachhaltige Bauweise zusammen. Auch die Materialwahl für die Balkonplatten ist interessant: Sie werden mit einer filigranen Carbonbewehrung von Solidian hergestellt, die nicht korrodiert. Für lediglich 15 mm starke Betonüberdeckung braucht es deutlich weniger Beton und Zement.
Auf dem Areal einer ehemaligen Pflegeschule entsteht im süddeutschen Wangen das Vinzenz-Quartier mit 122 Wohneinheiten, die sich auf sechs Gebäude verteilen. Das Nutzungskonzept sieht generationenübergreifendes Wohnen vor, dementsprechend sind drei der Häuser auf die Bedürfnisse älterer Menschen ausgerichtet und unter anderem mit einem Sturzradar und einer eingebauten Herdsicherung ausgestattet. Die drei anderen Gebäude sind Singles, Paaren und Familien vorbehalten. Damit sich alle Bewohner regelmäßig begegnen, gibt es einen Quartiersplatz mit Spielgeräten für Kinder und seniorengerechten Bewegungsstationen.
Bei drei der Häuser mit identischem Grundriss testet das Bauunternehmen Georg Reisch verschiedene Möglichkeiten für nachhaltigen Wohnbau. Die Objekte werden in Hybridbauweise errichtet. Beim ersten bestehen die Wände aus Holz und die Decken aus Beton. Beim zweiten ist nur der Treppenhauskern aus Beton, alle anderen Bauteile aus Holz. Das dritte wurde vollständig in Holzbauweise errichtet. Lediglich die Keller sind aus dem gleichen Material, aus Beton. Dafür nutzt das Unternehmen Recyclingmaterial aus den Resten des alten Gebäudes, das ursprünglich auf dem Baugrund stand. Dementsprechend werden rund 15.000 t Betonbruch zu RC-Körnung verarbeitet. Die kleineren Korngruppen (bis 4 mm) kommen etwa als Schüttmaterial für die Holzdecken der Quartierswohnungen zum Einsatz, die Korngruppen von 4 bis 22 mm zur Herstellung des Betons, bei der Reisch klinkerreduzierte Zementsorten verwendet.
Auch bei der Materialwahl für die Balkonplatten entschied die Nachhaltigkeit: Alle Balkonplatten des Quartiers werden mit einer Carbonbewehrung von Solidian hergestellt. Das Material korrodiert im Gegensatz zu Stahl nicht, sodass die schützende Betonüberdeckung deutlich geringer ausgeführt werden kann und somit weniger Beton und Zement benötigt wird. Beim Mehrgenerationen-Areal setzte das Bauunternehmen für die obere und untere Bewehrungslage der Balkonplatten Solidian Grid ein – eine Matte aus Carbonfasern, die mit Epoxidharz getränkt werden. Diese hat eine 7-mal höhere Zugfestigkeit als eine klassische Bewehrungsmatte aus Stahl (bis zu 3.300 N/mm²). Die Solidian-Grid-Matte gibt es in der Standardabmessung 6 × 2,3 m. Sie kann aber auch bis zu 8 × 3 m oder als Rollenware bis 300 × 3 m geliefert werden.
Reisch fertigte die Balkonplatten im Werk in Bad Saulgau und montierte die Grid-Platte dort auf die tragende Unterkonstruktion. Die derart vorgefertigten Module erleichterten und beschleunigten die Montage der Balkone. Die Balkonplatten sind zwischen 1,9 und 3,54 m breit und haben eine Tiefe von 1,26 bis 2,17 m. Ihre Betonüberdeckung liegt – dank der nichtmetallischen Bewehrung – bei nur 15 mm. In herkömmlicher Stahlbetonbauweise wären die Platten mindestens 18 cm dick gewesen. Die Reduktion der Betonmenge wirkt sich nicht nur günstig auf die Umwelt aus, sondern auch auf das Erscheinungsbild der filigranen Bauteile. Darüber hinaus sind sie unempfindlich gegenüber Frost-Tausalz und dementsprechend wartungsarm. Durch die korrosionsfreie Carbonbewehrung konnten die Balkonplatten ohne jegliche Abdichtung realisiert werden.