Stuttgart 21

Betonkunst im Untergrund mit Sonderschalung

Ende Februar wurde die 14. Kelchstütze für den künftigen Stuttgarter Hauptbahnhof betoniert. Damit war die Hälfte der insgesamt 28 einzigartig geformten Kunstwerke aus Beton geschafft, die einmal das Dach der neuen Bahnsteighalle bilden. Die Umwandlung des vor fast hundert Jahren eröffneten Kopfbahnhofs in einen unterirdischen Durchgangsbahnhof ist zusammen mit der Neubaustrecke Stuttgart-Ulm Teil von Stuttgart 21, einem der derzeit größten Infrastrukturprojekte in Europa.

Stuttgart Hauptbahnhof Bahnsteighalle
Diese Skulptur in Beton wird einmal die Bahnsteighalle des künftigen Stuttgarter Haupt-bahnhofs überspannen – eine imposante Architektur aus 28 Kelchstützen mit Lichtauge. (Bild: DB/Malte Hombergs)

Die markanten Stützen sind das gestalterisch dominierende Element der nach Entwürfen des Architekten Christoph Ingenhoven entstehenden neuen Bahnhofshalle. Insgesamt 28 Kelchstützen mit Lichtauge in den 14 Querachsen, ergänzt durch Restkelche an den Rändern und sogenannte Brillenwandkelche, ergeben eine bislang einmalige Dachkonstruktion. Für die Realisierung ist die Stuttgarter Ed. Züblin zuständig, die sich für diese extrem komplexen Betonformen die Kompetenz von Robusta-Gaukel gesichert hat. Der Spezialist für Montage-, Anker- und Sicherheitstechnik kann auf mehr als ein halbes Jahrhundert Erfahrung mit individuellen und anspruchsvollen Schalungs-Sonderlösungen verweisen. „Diese Kelchstützen verlangten ein völlig neuartiges Konzept sowie eine außergewöhnliche 3D-Finite-Elemente-Berechnung“, erklärt Johannes Lißner, Leiter Technik bei Robusta-Gaukel. „Die Kelche sind zudem geneigt, weshalb wir auch eine geneigte Unterrüstung vorgesehen haben, mit der sich die Schalung schnell und effizient einrichten lässt.“

Bei den räumlich gekrümmten Flächen laufen die Anker schräg durch den Betonkörper und erzeugen so zusätzliche Querkräfte. „Hier kommt unser Winkel-Konus ins Spiel, ein Durchankerungswinkel, der auch in schwierigen Einbausituationen einwandfreie, gleichmäßig reproduzierbare Sichtbetonspannstellen ausbildet“, so Lißner weiter. „Anker im Schrägwinkel gab es auch beim Bau eines anderen spektakulären Bauwerks, dem Stuttgarter Daimler-Benz-Museum, wo sich Ed. Züblin ebenfalls auf uns verlassen hat.“

Schwerlast-Plattformwagen
Zum Ausschalen senkt der Schwerlast-Plattformwagen mit seinen vier schwenkbaren Hubzylindern die tonnenschweren Rüsttürme ab und fährt sie zur Seite – ganz ohne Kraneinsatz. (Bild: DB)

Für die Unterstützungskonstruktion der Schalelemente am Stuttgarter Hauptbahnhof wurden 26 Turmeinheiten mit zusammen knapp 300 t Gewicht montiert. Darauf kommen ebenfalls rund 300 t Bewehrung – verteilt auf zirka 11.000 verschiedene Positionen, die in der äußerst komplexen Geometrie verbaut werden müssen. Der Kragen am Lichtauge des Kelchs, die sogenannte Hutze, wird als letzter Arbeitsschritt geschalt und bewehrt, wobei die innenliegenden schrägen Schalkörper von Schrägstützen auf den inneren Unterstützungstürmen gehalten werden, um jederzeit die notwendige Stabilität gewährleisten.

Eine erhebliche Erleichterung beim Schalen bringt der Schwerlast-Plattformwagen, mit dem sogar der Kran ersetzt wird: „Beim Ausschalen der bis zu 12 m hohen Türme brauchen wir keinen Kran, das Umsetzen der Schaleinheiten erledigt unser speziell entwickelter Schwerlast-Plattformwagen“, betont Lißner. Ausgerüstet mit vier schwenkbar am Wagen angebrachten Sonder-Hubzylindern, können die Turmeinheiten problemlos und in kürzester Zeit abgesenkt und zur Seite gefahren werden. Bevor aber das benachbarte Segment ausgeschalt werden kann, müssen die Notstützen gestellt werden, die den Kelchrand so lange stabilisieren, bis auch die offenen Deckenfelder zwischen den Kelchen geschlossen sind.

Standpunkt

Alexander Behrend, Projektoberbauleiter Stuttgart 21, Ed. Züblin, Stuttgart

„Der Einsatz von Standard-Rüstungssystemen ist unter Berücksichtigung der auftretenden Lasten und des Bauablaufs hier nicht möglich. Robusta-Gaukel zählt zu den wenigen Experten im Sonderschalungsbau in Deutschland, die über das nötige Know-how und die Flexibilität verfügen – das schlüssige Konzept hat uns sofort überzeugt. Die Zusammenarbeit läuft von Projektbeginn an sehr gut und kooperativ, auch das Feedback der Nachunternehmer ist ausgezeichnet. Besonders positiv: Das Team von Robusta-Gaukel hat sich bereits in der Angebotsphase sehr tiefgehende Gedanken über die Arbeitsabläufe gemacht, sodass wir auch nach mehrfacher Verwendung der Schalsätze gute Ergebnisse erzielen.“