BEV-Experience-Event von Liugong im polnischen Stalowa Wola
Der chinesische Hersteller Liugong nutzte seine Europazentrale in Polen mit dem neu gebauten Ersatzteillager als Bühne für sein umfangreiches Programm an Battery Electric Vehicles. So konnten wir die Akku-Baumaschinen erstmals in Europa live testen.
Der Standort Stalowa Wola im Osten Polens blickt auf eine lange industrielle Nutzung zurück. Ursprünglich wurde der weitläufige Komplex zur Stahlproduktion genutzt. Später konnten sich insbesondere Maschinenbauer etablieren, darunter die HSW, die schon in den 1970er-Jahren Baumaschinen des amerikanischen Herstellers IHC in Lizenz fertigte. Das war die Grundlage für die bis heute bekannten Dressta-Raupen. 2012 übernahm Liugong die Marke Dressta samt Produktion der robusten Raupen. Zwischenzeitlich wurde jedoch deutlich, dass die Produktionsstätten etwas in die Jahre gekommen waren und eine Fertigung im chinesischen Stammwerk wirtschaftlicher war. So wurde 2023 der Bau von Dressta-Raupen in Polen nach über 50 Jahren eingestellt und in unmittelbarer Nähe der bisherigen Werkshallen ein modernes Ersatzteillager mit Schulungs- und Büroräumen errichtet. Dort hat man nun vor Kurzem sein großes BEV-Sortiment (Battery Electric Vehicles) präsentiert.
Schon auf der Intermat in Paris hat Liugong den Messestand ausschließlich mit den grünen batterie-elektrischen Maschinen bestückt. Jetzt wollte man zeigen, dass man nicht bloß elektrische Bagger und Radlader verkaufen möchte, sondern auch die notwendige Infrastruktur im Blick hat. Das beginnt mit verschiedenen Ladegeräten, die an die Art der vorhandenen Stromversorgung angepasst sind. Darüber hinaus gibt es als Kooperationspartner die niederländische Firma Dens, die neben Brennstoffzellen-Generatoren und Battery-Packs leistungsfähige Powerhubs herstellt und vertreibt. Diese Groß-Batteriespeicher haben das Format von 20-Fuß-Abrollcontainern und können mit ihrer Energiemenge einen 22-t-Kettenbagger über eine Woche lang mit Strom versorgen. Zum Wochenende wird der Powerhub dann zu einer geeigneten Ladestation transportiert. Nebenher dient er auf der Baustelle als emissionsfreie Stromquelle für Kleingeräte. Fachleute des niederländischen Herstellers machten noch einmal deutlich, wieviel weiter unser Nachbarland schon auf dem Weg zu alternativen Antrieben ist. Ängste bezüglich einer damit einhergehenden Deindustrialisierung scheinen dort weit weniger verbreitet zu sein.
Batterien gilt es aber nicht nur zu laden, sie müssen bisweilen auch gewartet und repariert werden. Beim Transport über öffentliche Straßen gelten die ADR-Richtlinien, aber auch in der Werkstatt müssen Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden. Hier kommen Produkte der Firma Gelkoh aus dem westfälischen Hamm ins Spiel, deren Spezial-Container und Verpackungen gewährleisten ein sicheres Handling. Auch im Fall eines Akkumulator-Brands kann die Firma mit Notfallhilfe die örtlichen Rettungskräfte unterstützen. Liugong selbst hat sich mit Schulungsräumen und Simulatoren für die Ausbildung des eigenen Werkstattpersonals gerüstet. Für den Umgang mit den elektrischen Bauteilen wurde auch spezielles Werkzeug und Messtechnik angeschafft.
Nun aber zu den elektrischen Maschinen selbst: Auf dem weitläufigen Vorführgelände standen zwei Bagger und zwei Lader zum Testen bereit. Wir starten mit dem Minibagger 9027FE in der beliebten 2,5-t-Klasse. Er verfügt über eine 20,6-kWh-LFP-Batterie, die je nach Belastung für drei bis fünf Stunden Laufzeit gut sein soll. Um mal zu zeigen, was in dem Kleinen steckt, hat man mir direkt den Power-Mode voreingestellt. Klar, damit kann man den Dreck ordentlich fliegen lassen – das ist aber bei einem Gerät dieser Größe selten das Maß der Dinge. Also etwas die Drehzahl herunter genommen, und es lässt sich immer noch zügig damit arbeiten. Ich bin überrascht, was sich bei Optik und Haptik der chinesischen Maschinen in den vergangenen Jahren getan hat. Das europäische Entwicklungsbüro scheint ein gewichtiges Wörtchen mitzureden bei der Konfiguration der Maschinen für den hiesigen Markt.
Auch beim Handling gibt es nichts zu meckern, die Maschine liegt wie gewohnt in der Hand. Und ich wiederhole mich da gerne: Die Abwesenheit von Lärm und Abgasen ist gerade bei den Kompaktgeräten ein großes Plus. Das schätzt man auch erst so richtig, wenn man mal wieder auf eine Diesel-Variante wechselt – den Abgasgeruch hat man halt doch ständig in der Nase.
Weiter mit dem großen Bruder 922FE, 24 t Betriebsgewicht, 423-kWh-LFP-Akku, und der Bagger verfügt über eine noch höhere Antriebsleistung als sein Diesel Pendant. Da man bei der vorangegangenen Demo-Show ein Wettbaggern veranstaltet hat, sind auch hier alle Regler voll aufgerissen. Dadurch wirkt die elektro-hydraulische Vorsteuerung etwas ruppiger als nötig. Es gibt hierzu aber mannigfaltige Einstellmöglichkeiten bereits im Display. Bevor man das leichtfertig abtut, sollte man sich damit beschäftigen und im Zweifel Hilfe anfordern. Das Geräusch des Elektromotors in Verbindung mit der Hydraulikpumpe ist vergleichsweise angenehm, das habe ich auch schon in einem ungünstigeren Frequenzband erlebt. Auch beim Kettenbagger macht das Design sowohl außen als auch in der Kabine einen sehr stimmigen Eindruck mit einer eigenständigen, wiedererkennbaren Formensprache. Es wird eben auch deutlich, dass es sich bei den Liugong-BEVs nicht um ein schnelles Modeprojekt handelt: Der 922FE repräsentiert bereits die vierte Generation mit dieser Antriebstechnik innerhalb von zehn Jahren Entwicklungszeit.
Der kleine Akku-Radlader 820 TE sieht so aus als wäre er besonders auf den deutschen Markt ausgerichtet worden. Mit 1,2 m² Standard-Schaufel und 2,0 t Nutzlast bedient er eine sehr beliebte Größenklasse. Da solche Maschinen meistens mit Nebenarbeiten beschäftigt sind, spielt die Batterie-Laufzeit auch eine eher untergeordnete Rolle. Die häufigen Probleme durch lange Leerlaufzeiten oder häufige Kaltstarts kennt der Elektroantrieb jedenfalls nicht. Der Lader auf dem Demogelände hat ein wenig mit dem trockenen Karnickelsand zu kämpfen. Auch weil die verbaute Schaufel keine Indikatoren hat, wann der Boden parallel zum Untergrund steht, bedarf es etwas Eingewöhnung, um eine volle Schaufel zu erzielen. In dem weichen Geläuf muss man auch sehr behutsam mit dem Fahrpedal umgehen, da das Drehmoment ja sofort anliegt. Hier wäre eine etwas größere Spreizung über den Pedalweg wünschenswert – sicher nur ein Sache der Kalibrierung.
Der 856HE wiederum gehört mit seiner 3,5-m³-Schaufel schon in die Riege der Produktionslader. Er hat die gleiche Batterie wie der Kettenbagger, perfekt geeignet für den stationären Einsatz wie im Recycling sowie in Kies- oder Mischwerken. Laufzeiten bis zu zehn Stunden sollen hier nicht außergewöhnlich sein. Der Lader auf der Demo-Fläche ist bereits mit Joysticklenkung ausgestattet, eine erhebliche Arbeitserleichterung bei häufigen Rangiermanövern. Auch bei diesem Modell ist ein wohltemperierter Gasfuß zu empfehlen. Es bedarf auch sicher einer gewissen Umstellung, denn die häufig erlebte Praxis, mit möglichst viel Drehzahl mehr Leistung erzeugen zu wollen, funktioniert hier auch nicht. Aber mit einer offenen Einstellung gegenüber Neuem und etwas Training sollte ein Profi schnell das Potenzial der Maschine ausschöpfen können.
Große Ambitionen wohl nicht unrealistisch
Aus meiner Sicht stellt das nervenschonende Geräuschniveau doch schon einen Wert an sich dar. Während man hierzulande noch teils hitzig darüber streitet, ob solche Konzepte überhaupt Zukunft haben, schreitet die Technik in China einfach voran – von den Akku-Radladern soll es schon mehr als 3.500 Stück geben. Der ebenfalls verfügbare 4,7-m³-Akku-Radlader hat es nur aus logistischen Gründen nicht auf die Veranstaltung geschafft, lieferbar wäre er.
Liugong hat sich das klare Ziel gesetzt, bei batterie-elektrischen Baumaschinen die Marktführerschaft zu übernehmen. Wenn man sieht, auf welchem Stand sich die Maschinen befinden und wie die Systemumgebung mitgedacht wird, scheint das durchaus aufgehen zu können. Natürlich hat auch Liugong auf dem anspruchsvollen deutschen Markt noch etwas Luft beim Bekanntheitsgrad und der Akzeptanz. Außerdem gibt es auch noch ein paar weiße Flecken auf der Karte des Händlernetzes, aber daran arbeite man kontinuierlich, versichert der Country Manager DACH, Matthias Mähler.
Und wenn man schließlich schon mal am Dressta-Standort ist, darf auch das herausragende Produkt der Raupen-Baureihe nicht fehlen: TD16N. Die Entwicklung erfolgte noch am polnischen Standort unter der Leitung des Industriedesigners Gary Major. Beim Entwurf standen Übersicht und Sicherheit an oberster Stelle. Dazu hat man den Kühler am Heck platziert, und zusammen mit einer stark fallenden Motorhaube hat der Bediener fast die komplette Rückseite des 6-Wege Schilds im Blick. Die Kabine wird dominiert durch eine gigantische V-förmige Panorama-Frontscheibe, wobei das Auspuffrohr und die Luftansaugung optisch hinter den A-Säulen verschwinden. Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal ist der Aufstieg über Trittstufen, flankiert durch Handläufe über das Heck, ohne die Kette betreten zu müssen – ansonsten ein notwendiges Übel, das schon zu unschönen Unfällen geführt hat. Die Sicht nach hinten wird durch den unter 45 Grad abfallenden Kühler ebenfalls nicht eingeschränkt. Die Raupe sieht einfach unglaublich schnittig aus und ruft nach einer sofortigen Probefahrt.
Auch das ist hier möglich. Ich muss allerdings zugeben, dass sich meine Praxis mit einer Planierraupe auf ein wenig Kippe einebnen beschränkt. Ich möchte mir hier also kein Urteil erlauben. Nur so viel: Die Sicht ist phänomenal, und das hilft gerade dann, wenn man wenig Routine hat. Die Steuerung ist sehr intuitiv, und selbst bei offen stehender Tür ist das Geräusch von Motor und Laufwerk ausgesprochen moderat. Es macht auf jeden Fall Lust auf mehr, und ich könnte mir vorstellen, dass man sich vergleichsweise leicht einfuchsen kann, wenn man mal ein paar Tage damit unterwegs ist. Der Name Dressta soll übrigens langfristig erhalten bleiben, da die Raupen in bestimmten Märkten einen sehr hohen Bekanntheitsgrad haben, beispielsweise in Indonesien. Natürlich kann man sie hierzulande beim Liugong-Händler ebenso erwerben.