BIM im Tiefbau

Deutschlands erste BIM-Modellbaustelle

Ob und wie modellbasiertes Bauen (BIM) unter realen Bedingungen im Tiefbau funktionieren kann, thematisierte unlängst der IHK-Arbeitskreis Tiefbau 3D+ auf Deutschlands erster Modellbaustelle für BIM im Tiefbau im schwäbischen Erbstetten. Fazit: Es gibt spannende Lösungsansätze, aber auch noch viel zu tun, auf allen Seiten.

BIM-Musterbaustelle
Aus der ganzen Republik fanden unlängst Tiefbau-Verantwortliche den Weg ins schwäbische Erbstetten zur BIM-Musterbaustelle, um sich bei Live-Demonstrationen am BIM-Parcours sowie interessantem Rahmenprogramm mit Gastvorträgen ein eigenes Bild vom modellbasierten Bauen im Tiefbau zu machen. (Bild: MTS)

Ein Initiator der Modellbaustelle ist MTS-Geschäftsführer Rainer Schrode: „Im Prinzip probieren wir hier nur das aus, worüber andernorts in Expertenkreisen sehr komplex debattiert wird.“ Auf der Suche nach einer geeigneten Baustelle hatte Schrode zunächst vom Bund nur Hinweise auf Brücken- und Tunnelprojekte erhalten, die mit dem kommunalen Tiefbau nichts zu tun haben. Bei Bürgermeistern und Planern und stieß er auf mehr Resonanz, die Ausschreibung scheiterte trotz Kosten- und Terminvorteil jedoch immer wieder am Vorwurf der Wettbewerbsverzerrung: Man würde Bieter ausschließen, die nicht in der Lage sind, eine solche Ausschreibung und Ausführung umzusetzen.

Nach über dreijähriger Suche war Schrode dann schließlich doch erfolgreich und hatte eine Baustelle mit genügend komplexen Anforderungen, um BIM umfassend zu prüfen. Dazu sein Tiefbauunternehmen, das alle technischen und fachlichen Voraussetzungen für die 3D-Bauausführung erfüllt. Und ein Planungsbüro, das motiviert und in der Lage war, im Vorfeld eine akribische 3D-Planung umzusetzen. Sowie natürlich eine Stadt, die den Vorteil der Prozess- und Kostensicherheit sofort für sich erkannte.

 

Der IHK-Arbeitskreis Tiefbau 3D+

Building Information Modeling (BIM) soll gemäß Stufenplan „Digitales Planen und Bauen“ des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur für Infrastrukturprojekte bis 2020 eingeführt sein. Die Methode ist auch für den Tiefbau hochinteressant. Für den kommunalen Tiefbau (Baugebietserschließungen, Rohrleitungs- und Kanalbau) sind jedoch weder die Anforderungen an die Modelle, noch die Methoden und Austauschverfahren definiert. Ziel des Arbeitskreises ist deshalb, die Grundlagen für die Anwendung von BIM im Tiefbau zu schaffen und den Austausch zwischen Bauunternehmen, Planern, Bauherren und Verwaltung zu fördern. Der Arbeitskreis möchte die kommunalen Auftraggeber sensibilisieren und als Partner für ein kommunales Pilot-Bau-Projekt gewinnen (Kontakt: guendra@reutlingen.ihk.de oder beckershoff@reutlingen.ihk.de).

Das Modellprojekt: die Sanierung einer Ortsdurchfahrt im Schwäbischen Erbstetten. „Ein komplexes Bauvorhaben mit der Anforderung, mitten im Bestand sämtliche Kanäle und Straßen zu erneuern“, so Schrode. Nur unter solchen Realbedingungen lasse sich ernsthaft prüfen, ob und wie sich BIM im Tiefbau wirklich umsetzen lässt und welche Hürden sich in den Weg stellen. „Und genau diesen Fragen muss sich die Bauwirtschaft stellen, wenn sie das Thema BIM von der Möglichkeit zur gelebten Praxis führen will“, ist der MTS-Geschäftsführer überzeugt.

Denn die Realität der Bauwirtschaft sei noch weit davon entfernt, hier werde nach wie vor nicht leistungs-, sondern nachtragsorientiert gearbeitet. Sprich: Der Bauunternehmer muss durch mangelnde Planung verursachte Verluste über ein Nachtragsmanagement ausgleichen und der Auftraggeber die Zeche dafür zahlen – im Schnitt rund 60 Prozent Mehrkosten. „Bei kommunalen Projekten wie dem Berliner Flughafen zahlt dann letztlich der Steuerzahler das drauf, was im Zuge einer ordnungsgemäßen Planung hätte verhindert werden können“, erklärt Schrode.

BIM im Tiefbau
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Deshalb würden sich viele Bauunternehmer und Auftraggeber vorm Umsatteln scheuen. Und Planer fragen zurecht, wer ihnen den Mehraufwand für eine modellbasierte Planung entlohnt. Noch gibt es für diese Honorierung keine rechtsverbindliche Regelung, obwohl der Aufwand fürs digitale Planen beim modellbasierten Bauen nicht neu entsteht, sondern einfach von der Bauausführung in die Planung verlegt wird. „Diese strukturelle Vorgabe ist einer der maßgeblichen Gründe, weshalb der Tiefbau dem Hochbau beim Thema BIM so sehr hinterherhinkt“, so Schrode weiter. Denn der Hochbau werde im Gegensatz zum Tiefbau von Auftraggeberseite vorangetrieben, meist private Bauherrn, die vom finanziellen Vorteil direkt profitieren. „Expertenzirkel können diese Zusammenhänge allenfalls thematisieren. Verändern können wir sie nur durch konkrete Pilot-Projekte wie die Modellbaustelle.“ In dem von Schrode gewählten Setting konnte sich das klassischerweise auf Konfrontation ausgerichtete Zusammenspiel der am Bauprozess beteiligten Parteien zu einer sehr partnerschaftlichen Zusammenarbeit wandeln, die trotz aller Beschwerlichkeiten in der Startphase bis heute für große Zufriedenheit auf allen Seiten sorgt. Der erste Bauabschnitt ist mittlerweile abgeschlossen, der zweite bereits in Angriff genommen.

Konkreten Handlungsbedarf hat der Geschäftsführer ebenfalls identifiziert: So sollte die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure dringend an BIM angepasst werden, da hier aktuell noch keinerlei Honorierung des deutlich erhöhten Planungsaufwands von modellbasiertem Bauen vorgesehen ist. Weil der EuGH die Mindest- und Höchstsätze der HOAI gekippt hat, entstünden ganz neue Rahmenbedingungen. Auch müsse die Gemeindeprüfungsanstalt ihre Vorgaben dringend korrigieren, da sie ein digitales Aufmaß auch im Rahmen von BIM-Projekten nach jetzigem Stand nur bedingt akzeptiert. „Die Forderung derzeit lautet: Wir sollen digital planen und bauen, für die Prüfung unsere Pläne aber weiter in Papierform ausdrucken, was einen dem BIM-Grundgedanken widersprechenden und völlig unnötigen Aufwand mit sich bringt“, so Schrode abschließend.


Rainer Schrode, Geschäftsführer, MTS Maschinentechnik Schrode, Hayingen

„Wir probieren auf dieser Baustelle gemeinsam mit den anderen am Bauprozess Beteiligten einfach das aus, worüber andernorts in Expertenkreisen meist sehr komplex debattiert wird. Denn es ist höchste Zeit, die virtuellen Denkgebäude auf ihre Umsetzbarkeit zu prüfen und auch der Politik aufzuzeigen, wo es noch klemmt. Es geht im Prinzip eigentlich darum, neben weiteren Bauunternehmern, Auftraggebern und Planern auch die Gremien und Institutionen an den gemeinsamen Tisch zu bekommen, die die Vorgaben für unsere Arbeit definieren. Denn Zukunft lässt sich – auch im Tiefbau – nur gemeinsam gestalten.“

Rainer Schrode, Geschäftsführer bei MTS
(Bild: MTS)