Fahrbericht: Der Elektro-Scania P 25 BEV im Test
Premiere: Mit dem P 25 wagt sich Scania als erster mit einem vollelektrischen Verteiler-Truck auf unsere Bau-Runde. Der 18-Tonner überzeugt durch hohe Energie-Rückgewinnung auf bergiger Strecke und durch die Stadt, verbraucht nur einen Bruchteil der Energie. Eine 6×2-Variante für Abroll-Kipper hat Scania schon in der Pipeline.
Spöttisch zu bemerken, dass Scania seinen ersten E-Truck zum Test-Ort tragen muss, wird der Sache nicht gerecht. Vielmehr verdient der Aufwand, den die Testabteilung beim ersten Test des vollelektrischen P 25 treibt, großen Respekt. Die Lieferung des P 25 erfolgt per dreiachsigem Tiefladesattel, vorne als Zugmaschine der Chimera-Show-Truck – ein Fuhrpark-Mitglied des Svempas-Race-Truck-Teams mit 730 PS V8. Ein wahrlich beeindruckendes Gespann. Und praktisch: Denn ein leistungsstarkes Dieselaggregat ist als eigenes Kraftwerk gleich mit dabei, gut verzurrt auf dem Swan-Neck des Aufliegers, der normalerweise mittelschwere Bagger und Lader transportiert.
Das noch viel zu dünne Netz an Ladestationen, die bis zu 130 kW bei bis zu 200 A Wechselstrom liefern können, macht diesen Aufwand notwendig. Dankenswerter Weise hält uns die Spedition Stibolitzki in Eichstätt genügend Stellplätze frei für den per Tieflader angereisten P 25. Da ist ganz schön was los auf dem Hof.
Bevor wir den P 25 ans Aggregat anschließen können, gilt es, einen tags zuvor angekokelten 64-A-Drehstrom-Stecker auszuwechseln. Ein schwacher Kontakt war in der Nacht warm geworden und brachte den Stecker buchstäblich zum Schmelzen. Der örtliche Elektriker hilft unbürokratisch, eine Stunde später ist ein nagelneuer Stecker an der Kempower-Ladestation montiert. Die Ladestation ersetzt hier quasi die Gleichstrom-Ladesäule: Sie sitzt zwischen dem Dieselaggregat auf dem Auflieger und der Ladebuchse des P 25. Letztere verbirgt sich hinter der rechten, aufklappbaren Eckverkleidung der Kabine in angenehmer Arbeitshöhe. Stecker sitzt, Aggregat läuft: Jetzt noch über den Touchscreen am Kempower den Ladevorgang einleiten. Es dauert ein bisschen, bis die finnische Ladestation alle Daten sortiert hat, dann zeigt die fahrbare Ladesäule den Ladevorgang mit 40 kW DC-Ladeleistung an.
Aufgeladen auf 85 Prozent der Gesamtkapazität starten wir die Runde. Da wir bis jetzt noch keinen vollelektrischen 18-Tonner über die bd-Messrunde fahren konnten und deshalb auch keinen Überblick über den zu erwartenden Verbrauch haben, einige ich mich mit den Scania-Leuten auf eine verkürzte Baustoffstrecke.
Beim Handling zeigt sich der elektrische Nahverkehrs-Scania sehr geeignet für häufiges Ein- und Aussteigen. Die kurze Kabine ist niedrig aufgesetzt, das heißt, mit einer prominent in die Kabine ragende Motorkiste, die Einstiegshöhen sind entsprechend moderat, die Sitzhöhe über der Fahrbahn – gefühlt – kaum höher als in einem Bus. Unter der Motorkiste verbergen sich der 650-V-Inverter, ein DC/DC-Wandler, der das 24-V-Bordnetz versorgt und diverse Starkstrom-Regelboxen. Das ganze Gebilde ist in etwa so groß wie ein 9-l-Verbrenner, der die P-Nahverkehrsfahrzeuge des Herstellers in den Dieselvarianten antreibt.
Beim Rangieren ist außer dem Zermalm-Geräusch kleiner Steinchen unter den Reifen nichts zu hören. Auch nicht der kleine Geräuschgenerator, der bis 30 km/h eigentlich ein Fahrgeräusch imitieren soll, damit Fußgänger den E-Laster akustisch wahrnehmen können.
Doch halt: Ganz leise lässt sich ein Brummgeräusch ausmachen. Das Ding ist entweder defekt oder zu leise eingestellt. Ein simuliertes Fahrgeräusch müsste jedenfalls deutlich lauter klingen. Die elektrisch verstärkte Lenkung präsentiert sich mit 4,6 Umdrehungen von links nach rechts ausreichend direkt, wirkt gleichwohl etwas gefühllos, weil sehr leichtgängig.
Der Scania P 25 BEV auf der Teststrecke
Die obligatorische Kontroll-Tankung an der Diesel-Zapfsäule fällt heute aus – wir gehen direkt auf die Messrunde. Den Kilowattstunden-Zähler setzen wir beim Start auf null, genauso wie bei einem Diesel-Test. Es ist faszinierend: Der Scania zieht beim Druck aufs Fahrpedal zügig los – und das unglaublich leise. Kein Heulen, kein Sausen, keine klickende Relais, nur Reifengeräusch und bei höherer Geschwindigkeit etwas Windgeräusch, das bei 65 und 85 km/h dominiert. Auf der Landstraße messen wir gerade mal 56 dB(A), auf der Autobahn 60 dB(A) – hervorgerufen überwiegend durch Windgeräusch. Das hat schon was.
Beim ruhigen Dahinrollen mit gesetzten 65 über die Landstraße fällt der Blick auf die Anzeigen: Statt eines Drehzahlmessers zeigt das rechte Rundinstrument den Stromfluss an. Von der 12-Uhr-Position ausgehend wandert der Zeiger nach rechts, Strom wird verbraucht. Im Schubbetrieb verhält sich der Zweiachser relativ neutral und bevorzugt offenbar das Rollen, ohne nennenswert zu rekuperieren. Das ist auch gut so. Denn die Schwungmasse eines nur auf gut 16 t ausgeladenen 18-Tonners besitzt eine Menge gespeicherter Energie, die lange Rollstrecken erlaubt.
Erst bergab schlägt die Stunde der Generatorfunktion des E-Motors, aktiviert über den fünfstufigen Retarder-Hebel: Jetzt wird Bremsenergie gewonnen und in die Batterien zurückgeladen.
Und das nicht zu knapp: Unser langes Sieben-Prozent-Gefälle hinunter nach Beilngries erzeugt 8,9 kWh, der steile Stich hinunter nach Eichstätt (1,5 km) lässt den Verbrauchszähler gar um 13,2 kWh rückwärts zählen. Das sind gewaltige Rekuperations-Raten, die der P 25 da erzielt. Speicherbar freilich nur, wenn der Akku nicht voll ist, also schon genügend Leistung verbraucht wurde. Sind die Batterien voll, ist für Rekuperations-Energie schlicht kein Platz. Es empfiehlt sich also, die Einsatzstrecke so zu legen, dass erst ab Mitte oder zum Schluss hin die Gefälle-lastigen Abschnitte absolviert werden. Es ist mittlerweile üblich, dass Verkäufer von E-Trucks auch eine Streckenanalyse liefern, die genau solche Parameter berücksichtigt. Das Sparpotenzial – respektive die Reichweite – kann dadurch spürbar gesteigert werden.
Bei uns steigert sich erst mal der Fahrspaß: Es ist einfach ein Genuss, elektrisch unterwegs zu sein. Das Beschleunigungsvermögen ist beeindruckend, obschon noch nicht einmal voll ausgereizt – im Sinne einer möglichst wirtschaftlichen Fahrweise. Man erreicht die Marschgeschwindigkeit so schnell, dass man tatsächlich aufpassen muss, nicht schneller zu beschleunigen, als es Sinn macht. Also: Möglichst schnell den Tempomat gesetzt, der Computer errechnet sich den wirtschaftlichsten Antritt dann von alleine. So gesehen ist es also kinderleicht, einen E-Truck sparsam und gleichzeitig schnell über die tägliche Runde zu bewegen. Ich behaupte sogar: Viel leichter als ein dieselgetriebenes Fahrzeug. Der Diesel will ständig im optimalen Drehzahlbereich bewegt werden, Bremsen kostet nur, die Technik ist wesentlich aufwendiger und komplizierter.
Pro & Kontra: Scania P 25 Battery Electric Vehicle
Klar: Ein GPS-Tempomat, der auch noch die Topografie vorausschauend berücksichtigt, erleichtert die Sache ganz gewaltig. Active Prediction, wie der GPS-Tempomat bei Scania heißt, ist im P 25 noch nicht implementiert. Das wird aber alles sukzessive kommen. Genauso wie weitere zwei- und dreiachsige Grundmodelle für den Warenverkehr, für Kommunal- und für Bauaufgaben. Seit Kurzem hat Scania einen 6×2 P 25 als Abroller aufgebaut. Der elegante Nahverkehrs-E-Truck mit einer Zetterberg-Mulde ist für leise Anlieferung in Stadtzentren gedacht. Die Energie für die Hydraulik-Funktionen wird hier natürlich ebenfalls den Fahr-Batterien entnommen. Inwieweit ein Absetz- beziehungsweise Aufnahme-Vorgang die Reichweite verkürzt, ist leider noch nicht bekannt.
Gespannt bin ich auf den Kindinger Berg: Der P 25 stürmt völlig unbeeindruckt mit konstant 85 die 4,5 km lange Messtrecke hoch, dass es nur so eine Schau ist. Mit 18,4 kWh verbraucht der E-Truck fast genauso viel Energie wie die Diesel-Pendants mit umgerechnet 18,6 und 19,7 kWh. Soviel Energie kostet es, diese Steigung mit Gesamtgewichten zwischen 15,2 und 17,3 t unter Hochlast zu erklimmen. Interessant: Während der Energie-Anteil für diese starke Autobahnsteigung im Verhältnis zur Gesamtstrecke beim E-Scania 27 Prozent beträgt, sind es bei den Diesel-Varianten nur gut zehn Prozent. Das heißt: Bergsteigen kostet beim E-Truck systembedingt deutlich mehr als bei Scania-Vergleichsdieseln, die bei solcher Hochlast (vom spezifischen Verbrauch her) am wirtschaftlichsten arbeiten.
Insgesamt sieht die Rechnung aber wieder ganz anders aus. So ist es schon erstaunlich, wieviel weniger Energie der E-Truck bei etwa gleicher Transportleistung benötigt. Im Schnitt verbraucht der E-Scania nur 40 Prozent der Energie, die der Diesel benötigt – bezogen auf unsere gemessenen Streckenabschnitte. Am sparsamsten ist er auf der schweren Landstraße: Hier benötigt er weniger als ein Drittel des Dieselverbrauchs. Erklärt sich aus den hohen Rekuperations-Quoten der langen Gefälle, die die hohen Verbräuche bergauf stark abmildern. Außerdem besteht die schwere Landstraße nicht nur aus einigen Gefällen und Steigungen, sondern auch aus gerader Rollstrecke und Ortsdurchfahrten mit einer genauen Anzahl definierter Stopps. Diese tragen übrigens abermals zum geringen Energieverbrauch bei. Was die Diesel hier bis zum Stopp wegbremsen müssen, füllt der E-Scania wieder in den Akku.
Es gibt derzeit also keinen Laster im Gewichtsbereich um 18 t, der mit weniger Energieverbrauch gesegnet ist als der Scania P 25 BEV (Battery Electric Vehicle) – jedenfalls in der Betrachtung (nur das können wir halbwegs genau messen) Tank zu Rad (Tank to Wheel). Genau hier muss die Reise hingehen – und zwar möglichst schnell.