Kippertest 6/2020

Fliegl Alu-Kastenmulde Revolution

Fliegl paart das dreiachsige Kipper-Chassis aus Feinkornstahl und die konische Alu-Kastenmulde zu einem Schüttgut-Kipper der leichtesten Art. Viel weggelassen, sauber geschweißt, Verstärkungen, wo sie sinnvoll sind. Der Leicht-Kipper heißt zu Recht Revolution.

Revolution-Alumulde von Fliegl
Mit nur 4 t Eigengewicht gehört die Revolution-Alumulde von Fliegl zu den leichtesten Kippern am Markt. Mit dem Actros HAD als Zugmaschine sind 28,2 t Nutzlast möglich. (Bild: bd/Domina)

Die Werbe-Aufschrift auf der Fliegl-Kastenmulde verspricht 4.000 kg Leergewicht – exakt 4.000 kg zeigt das Display der Waage. Der Mensch, der das gestaltet hat, heißt Helmut Fliegl, Fahrzeugbauer niederbayerischer Herkunft, heute und schon seit mehr als zwanzig Jahren in Triptis, Thüringen, produzierend. Zur Nutzlastoptimierung beziehungsweise Leergewichts-Minimierung bringt Helmut Fliegl – gefühlt – jährlich mindestens eine typische Fliegl-Innovation auf den Markt. Jetzt also der Revolution-Trailer. Das Milliarden-Euro-Ding, wie die Heckaufschrift lautstark verkündet. Die Fußnote relativiert: Auf allen Fahrten der Bauindustrie im Jahr 2016 wurden 22 Mrd. l Diesel verbraucht. Rechnet man im Schnitt nur 1 t Nutzlastgewinn durch den Revolution-Trailer, so bedeute das laut Fliegl-Arithmetik 3,5 Prozent weniger Transporte, gleich 770 Mio. l weniger Diesel pro Jahr, macht bei 1,3 Euro für den Liter ziemlich genau 1,001 Mrd. Euro Ersparnis. Für die ganze Branche, wohlgemerkt.

Die Zahlen sind in der Tat beeindruckend. Wir lassen weiter die Waage sprechen: Der ganze Zug samt Actros-HAD-Sattelzugmaschine wiegt mit Norm-Fahrer 1.820 kg, macht also 7.820 kg für die Zugmaschine. Auch das ist relativ leicht für eine Straßen-Zugmaschine mit hydraulisch angetriebenen Vorderrädern (HAD = Hydraulic Auxiliary Drive). Das passt gut zusammen: Leicht plus leicht ergibt super Nutzlast. In diesem Fall sind es gut 28 t, die hier verfrachtet werden können. Nimmt man 24 bis 25 t als Normal-Nutzlast für einen Rundmulden-Sattel, dann reden wir hier also von deutlich mehr als nur 1 t Nutzlastgewinn.

Pro & Kontra: Fliegl-Alu-Kastenmulde Revolution

extrem leicht, viel Nutzlast
steifes Stahl-Chassis ohne spürbare Eigenlenk-Einflüsse auf Zugfahrzeug
mit Einbein-Fallstütze Abstellen nur leer möglich
etwas unhandliche Rollplane
Einschränkung auf minimal abrasives Schüttgut

Wie das geht, beantwortet Helmut Fliegl ganz offen im Produkt-Flyer, da steht dieser Warnhinweis: nicht für Abbruch, Aushub oder Schotter etc. Und unter Einsatzgebiet: Schüttgüter, Füllstoffe, Zuschläge. Allzu abrasive Stoffe wie kristalliner Schotter oder felsiges, spitzkantiges Material sollten also tunlichst vermieden werden. Wir haben es hier schließlich mit einer Voll-Alumulde zu tun. Zwar mit einer Brinell-Härte von 110, aber eben doch Alu: leicht im Vergleich zu Stahl, aber relativ weich. Wer Helmut Fliegl kennt weiß, dass er das Beste aus beiden Welten verbinden kann. So wie hier.

Alu-Kastenmulde des Fliegl Revolution
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Wir stellen den Revolution über die Grube und schauen ihn uns genauer an. Von oben und von unten. Der 1a-lackierte Alu-Kasten besticht schon von außen durch sauber gezogene Alu-Schweißnähte – das kann auch nicht jeder. Hier und da fallen feine Details auf, vor allem in Inneren des Kastens: Alle Ecken sind mit einer extra eingeschweißten Fase entschärft. Hier bleibt schwerer etwas kleben als in einer 90-Grad-Ecke. Die seitlichen Obergurte sind biegesteife Hohlprofile mit Trapez-förmigen Querschnitten. Der schräge Teil liegt oben, damit nichts liegenbleibt. Die beiden vorderen Ecken verstärken massiv eingeschweißte Blechbänder, das gibt Verwindungs-Stabilität. Und schließlich greift hier vorne der Hubstempel an, da liegen kurz vorm Abrutschen der Ladung enorme Lasten an, die hier gleichmäßig in den Kasten geleitet werden. Von unten betrachtet fallen die eng gesetzten Querstreben auf, 17 an der Zahl, sie geben dem Boden die nötige Steifigkeit. Denn das Bodenblech an sich ist nur 6 mm stark. Dass sich die Bodenfläche wellenartig verformt, ist gewollt und versteift den Boden abermals.

Das gleiche Prinzip auch bei der Heckklappe: Fliegl verwendet nur noch seine patentierte Membran-Rückwand. Ihr Kennzeichen ist die nach außen gewölbte Blechfläche. Denn: Gewölbte Bleche sind immer stabiler als ebene und setzen Punktbelastungen viel mehr Widerstand entgegen. Wie leicht die Heckklappe ist, demonstriert Max Fliegl, Juniorchef und Produkt-Manager, am Objekt: Er lupft den Deckel und stemmt ihn auf, als würde die Heckklappe gar nichts wiegen. Klar: Auf eine Schütte wird hier verzichtet, kostet ja alles Gewicht. Aber: Eine sauber eingearbeitete Gummilippe hält die Wanne zumindest wasserdicht, wie der Schwall Wasser beim ersten Öffnen beweist. Hundertprozentig dicht ist die Kastenmulde aber trotz Gummidichtung am Heck noch nicht. Fliegl weist extra darauf hin, dass eine solche „Chemie-Dichtheit“ durchaus machbar ist. Dann müssten allerdings alle Einzelpaneele, die die Außenwand bilden, miteinander verschweißt werden – ein ziemlicher Aufwand, der kostet.

Ohne Aufpreis gibt es bei Fliegl stets die konische Mulde: Sie ist hinten breiter als vorne, öffnet sich also nach hinten um genau je 5 cm links und rechts. Der Effekt: Das Material löst sich früher von den Wänden und rauscht leichter Richtung Ausgang. Zweitens: Laut Helmut Fliegl ergibt sich dadurch eine bessere Aerodynamik im Gesamtzug. Das scheint plausibel für die konische Mulde. Aber auch für die gewölbte Heckklappe reklamiert Fliegl aerodynamische Vorteile. In Summe sollen es um die acht Prozent sein. Das wäre enorm viel. Aber: Möglich ist da vieles, wirklich belegt dagegen wenig.

Den Aufbau des Chassis eröffnet uns beinahe hautnah die Inspektion aus der Grube. Von hier aus erschließt sich die Leichtbau-Konstruktion in Feinkornstahl am besten. Auffälligstes Merkmal aller Fliegl-Kipper-Chassis ist das Curved-Front-End. Curved heißt es, weil es rund ist und praktisch nicht mehr als die Fläche der Sattelplatte überdeckt. Das ist definitiv gewichtssparend. Die Halshöhe beträgt an dieser Stelle ganze 19 cm, auch das ist nicht viel, harmoniert aber gut mit 1,20er-Aufsattelhöhen. Im Modell wird die ganze Steifigkeit und Stabilität dieser so wichtigen Komponente deutlich. Im Inneren verstreben eingeschweißte Stege die Konstruktion, sodass sich hier nichts verformen kann. Das ist wichtig, nicht nur weil hier die gesamte Last beim Anheben der Kippbrücke über den Kippstempel eingeleitet wird, sondern auch, weil sich knapp dahinter die Nase des Alu-Kastens horizontal formschlüssig mit dem Chassis verkeilt. Alle horizontalen Bewegungen des Aufbaus werden hier eingeleitet, nur so ist die Verbindung Aufbau/Chassis wirklich steif. Bei unseren späteren Handlingfahrten werden wir sehen, wie wichtig dieser Aspekt ist.

Auch bemerkenswert: Zwischen Front-End und der ersten Quertraverse auf Höhe der ersten Achse laufen die beiden Längsträger ohne jede weitere Querverbindung nach hinten. Das ist Leichtbau, wie er nur mit der Festigkeit von Feinkornstählen möglich ist. Und weil der erste Querträger einen geschlossenen Kasten bildet. Der kann auch die Fallstütze locker aufnehmen.

Ab hier – mit Blick nach hinten – kommen nun die drei Achsen. Und die zuvor recht niedrigen Längsträger wachsen in der Höhe. Kein Wunder – in der hinteren Hälfte des Chassis ist die Action: Hier liegt die Hauptlast, hier kommen am meisten Kräfte ins Chassis, nicht zuletzt auch horizontale Verspannungen bei Kurvenfahrt. Hier im Mittelbau verbergen sich, hoch eingebaut, die Bremsverteiler und der einzige Luftkessel. Jener ist quer und bestens geschützt eingebaut, aufgehängt an gummigefederten Lagern. Auf Höhe der Achsböcke verbinden relativ leicht anmutende Querträger als offene U-Profile die beiden Längsträger, jeweils verstärkt durch 45-Grad-Streben links und rechts. Ganz hinten schließt ein letztes, verschweißtes U-Profil den Rahmen ab. Das Führungsrohr für die Kippachse ist nochmal mit Dreiecken an die Längsträger geschweißt – steifer geht’s an dieser Stelle nimmer.

Fliegl Revolution Mulde
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Alle Luft- und E-Leitungen sind absolut sauber und geschützt im Doppel-T der Längsträger verlegt, die Luftleitungen zumal farblich unterschieden, sodass die Werkstatt sofort sieht, welche Leitung wohin führt. Das Ganze ist in der hauseigenen Strahl- und Lackieranlage Oberflächen-behandelt und sorgfältig lackiert. Auf eine Vollverzinkung des Chassis muss man bei dieser Bauweise allerdings verzichten. Max Fliegl: „Feinkornstähle vertragen die Temperaturen einer Feuerverzinkung nicht. Da verändert sich das Gefüge und damit auch die Festigkeit.“ Also lieber sauber strahlen mit Stahlkugeln, grundieren und lackieren – alles in der eigenen Oberflächenbehandlung.

Gespannt waren wir natürlich auf das Fahrverhalten des Revolution-Trailers. Ob er bei so viel Leichtigkeit auch stabil und ohne Zicken hinterherlaufen kann. Dazu stellt uns Mercedes dankenswerter Weise einen neuen Actros 1846 HAD, also mit zusätzlich hydraulisch angetriebenen Vorderrädern, zur Verfügung. Schon mit Mirror-Cams und digitalem Armaturenbrett ausgestattet, ist dieser Actros die Straßen-Ausführung einer leichten Bau-Sattelzugmaschine. Anders als etwa der auf schwere Bauaufgaben spezialisierte Arocs kommt der Actros mit 120 cm Aufsattelhöhe ohne Panzerung im Frontbereich aus, was sich im Leergewicht positiv niederschlägt und das Mehrgewicht der hydraulisch zuschaltbaren Radnabenmotoren etwas relativiert.

Den hydraulischen Hilfsantrieb checken wir trotzdem kurz: Fliegl hat extra gleich neben der Fabrikhalle in Triptis einen Anfahrhügel aufgetürmt – den nutzen wir für ein paar Anfahrsimulationen. Leer ist es besonders schwer für die Antriebsachse entsprechend Grip aufzubauen, die Räder drehen durch. Mit aktiviertem Vorderradantrieb zieht der Actros mühelos die Steigung hinauf. Als Anfahrhilfe reicht HAD also locker aus. Mit 38 t nahezu ausgeladen das gleiche Spiel: Anfahren in der Steigung – die Räder graben sich ein. HAD zugeschaltet – die Fuhre zieht an und packt die Steigung. Die Radnaben-Motoren sind dabei gut zu hören aber weit weniger präsent als etwa bei der Alternative von SAF. Der Achsenhersteller bietet ebenfalls die Hydro-Motoren für die letzte Achse am Kipp-Auflieger an. Funktioniert, ist aber auch deutlich lauter als dieser HAD-Antrieb.

Uns interessiert aber noch mehr, wie sich der Fliegl-Revolution auf der Straße benimmt. Das Fahrniveau eingestellt und abgespeichert, machen wir uns auf den Weg. Zuerst ein Stück Autobahn, dann zurück nach Triptis über die B2. Für mich überraschend: Der Trailer ist praktisch nicht zu spüren. Man muss schon in die weitwinkligen Spiegel-Monitore schauen, um sich zu vergewissern, ob das Leichtgewicht überhaupt noch da ist. Auf der Autobahn glänzt der Revolution mit tadellosem Geradeauslauf, auf der anspruchsvolleren Bundesstraße hält er sich vornehm mit Eigenlenk-Reaktionen aufs Zugfahrzeug zurück. Das hatten wir schon mal anders erlebt: Mit einem Volvo FH vorne dran und voll luftgefedert, stellten wir damals ziemlich unangenehme Eigenlenk-Reaktionen vor allem beim einseitigem Einfedern fest.

Nichts von alledem bei dieser Kombination: Der Actros schnürt völlig unbeeinflusst vom Trailer über Schlechtweg-Passagen, keinerlei Störungen dringen vom Chassis nach vorne durch. Der Revolutionär zirkelt brav durch die Kreisverkehre, ein bisschen einlaufen ist mit drei starren Achsen normal und wird mit etwas Ausholen leicht kompensiert. Das Laufverhalten ist nicht nur völlig unproblematisch, es ist vorbildlich. So viel Steifigkeit mit so wenig Material zu erzielen verdient Applaus.