Iveco Generation X-Way
Ivecos X-Way-Baureihe ist ein typischer Zwitter: Angesiedelt zwischen Stralis und Trakker, schafft der X-Way zwischen Straße und Grube. Seine Stärke: genaue Anpassung an den jeweiligen Einsatzzweck über einen umfangreichen Baukasten. Im Schotterbruch auf der Schwäbischen Alb konnten wir zudem Ivecos neue Anfahrhilfe Hi-Traction ausprobieren.
Manchmal sind tiefergehende Marktanalysen ganz hilfreich. Im Vorfeld der Neuordnung ihrer Offroad-Baureihen analysierten die Iveco-Marktstrategen die Bedürfnisse ihrer Kundschaft. Mit klarem Ergebnis: Rund 80 Prozent aller Einsätze passieren auf der Straße, nur fünf Prozent können als echte Offroad-Fahrten bezeichnet werden. 15 Prozent dagegen finden als leichte Offroad-Fahrten auf Schlechtweg und mehr oder weniger befestigten Zufahrten statt. Den Markt für diese leichten Offroad-Aufgaben teilen sich zu 31 Prozent Kipper, zu 22 Prozent Absetz- und Abroll-Kipper und zu elf Prozent Betonmischer. Der Rest verteilt sich auf Müllfahrzeuge, kommunale Geräteträger und den Holztransport.
Für genau diese Gruppen hat Iveco ist die X-Way-Reihe spezifiziert. Mit starkem Fokus auf eine genau abgestimmte Offroad-Eignung durch verschieden hohe Kabinenvarianten, mit fein einstellbarer Bodenfreiheit und angepassten Böschungswinkeln. Je genauer das Fahrzeug auf den Einsatz abgestimmt ist, so Iveco, desto Nutzlast-effektiver kann es aus dem Komponenten-Regal zusammengestellt werden. Und dieses Regal ist riesig. So sind nun alle Motoren aus dem Cursor-Programm kombinierbar, zuletzt wurde der wichtige Cursor 11 mit 420, 460 und 480 PS integriert. Kombinierbar ist das Ganze mit einer Vielzahl von manuellen und automatischen Getrieben. Darunter auch Allison-Automaten für den Cursor 9, und hauptsächlich natürlich die neuen 12- und 16-stufigen Hi-Tronix-Getriebe, die bei Zulieferer ZF Traxon heißen. Durch Integration in die neue Hi-Mux-Datenbus-Architektur sind alle Verknüpfungen und Funktionen wie Eco-Roll, GPS-Tempomat, Eco-Schalter, Freischaukeln, Hill-Holder, Kriechmodus und sämtliche Sicherheitsfeatures wie ACC und der automatische Notbrems-Assistent möglich.
Feinschliff auch bei den Hinterachsen: So wird das parabelgefederte Doppelachs-Bogie nun über einen neuen zentralen Querträger – „ein Gussteil statt sieben Blechteile“ – im Rahmen montiert. Allein für diese Maßnahmen reklamiert Iveco 200 kg Nutzlastgewinn. Die luftgefederten Doppelachsaggregate haben nun oben liegende Stabis und leichtere Ankerpunkte für die Lenker.
Mit dem 8×4-Fahrgestell Super Loader treibt Iveco den Leichtbau auf die Spitze: Gedacht als Unterbau für den 8×4-Betonmischer, kommt dieses Fahrgestell für die Neun-Kubik-Trommel dank kleinem Cursor-9-Motor mit 400 PS, dem leichten Doppelachs-Aggregat, nur 6,7 mm Rahmenstärke, Alu-Tanks, fehlendem Beifahrersitz und vieler weiterer, kleinerer Maßnahmen auf nur 8.845 kg Gewicht. Dies, so die Iveco-Marketing-Strategen, bedeute 355 kg Gewichtsvorteil gegenüber dem leichtesten Konkurrenten, festgestellt von einem unabhängigen Prüfinstitut.
Und so teilt sich die X-Way-Baureihe in die drei Unterkategorien On, On+ und Off auf. Die Onroad-Modelle liegen wegen ihrer 142-mm-Kröpfung an den Vorderachsen etwas niedriger auf der Straße, On+ und Off profitieren von der 72-mm-Kröpfung und damit größerer Bodenfreiheit. Gerade Achsen mit noch mehr Bodenfreiheit gibt es allerdings nicht. Die Off-Modelle sind schon optisch deutlich robuster ausgelegt und bieten eine Pendelstufe am Einstieg sowie eine stabile Stahl-Stoßstange.
Agile Traktionshilfe schont die Kupplung
Ein Highlight der Reihe ist der hydraulische Vorderachsantrieb Hi-Traction: Wie die Konkurrenz auch, bedient sich Iveco hier der hydraulischen Radnabenmotoren des Spezialisten Poclain. Steuerung und Layout dieses zusätzlichen Vorderradantriebs sind ausgefuchst: Über einen einzigen Schalter links unten im Haupt-Schalterfeld lässt sich Hi-Traction in jeder Fahrsituation vorwählen. Über 45 km/h wird das System zwar zur Kühlung und Schmierung mit Niederdruck durchströmt, die Hydraulikstempel, die letztlich für den Vortrieb sorgen, sind jedoch zurückgefahren und sorgen so für minimale Verlustleistung und nahezu freies Rollen. Nahezu heißt, dass ein Energieverlust etwa in Höhe eines Klima-Kompressors stattfindet. Die Anzeigelampe im Armaturenträger leuchtet grau. Fällt die Fuhre nun unter 22 km/h ab, wechselt die Anzeige zur Farbe Blau, das Getriebe schaltet zudem automatisch in den Offroad-Modus. Jetzt ist Hi-Traction aktiv und bestrebt, mit gleicher Raddrehzahl wie die Hinterräder mit zu laufen. Findet nun Schlupf statt, regelt die Elektronik mehr Druck ein, sodass die Vorderräder aktiv mitziehen und ein Festfahren verhindern. Da die Hydraulik über eine motorseitig angetriebene Pumpe versorgt wird, steht auch im Stillstand ein gewisser Druck zur Verfügung, sodass – ein großer Vorteil dieses Systems – auch die Anfahrvorgänge unterstützt werden, was wiederum die Kupplung entlastet.
Bei unseren Fahrversuchen im Steinbruch von Erkenbrechtsweiler auf der Schwäbischen Alb zeigt sich Hi-Traction äußerst agil und erweist sich als veritable Traktionshilfe. Anfahrvorgänge im tiefen Boden gelingen damit kupplungsschonend und mühelos. Abbiegen in der Steigung: kein Problem. Gerade 4×2-Sattelzugmaschinen mit Dreiachs-Rundmulden im Schlepptau profitieren spürbar von den angetriebenen und vor allem gelenkten Vorderrädern. Kurzum: Mit Hi-Traction ist Iveco eine ausgesprochen wirkungsvolle Bauart des hydraulischen Vorderradantriebs gelungen.
Und weil man ja auch Vorreiter in Sachen Erdgas-Antrieb ist, laufen die Vorbereitungen für X-Way-Modelle mit CNG- und LNG-Erdgasantrieben (Compressed und Liquified Natural Gas) auf Hochtouren. Gerade für Betonmischer würden sich CNG-Lösungen anbieten, weil hier nur moderate Reichweiten verlangt werden. Aber auch Langstrecken-Lösungen wie ein Stralis X-Way NP 460 oder NP 400 sind bereits mit LNG unterwegs. Da steckt, davon ist man bei Iveco überzeugt, gerade für den Baustoff-Verkehr noch viel Potenzial drin. Ab Mitte des Jahres sollen die X-Ways mit Gasantrieb erhältlich sein – abhängig freilich vom Bauraum am Rahmen. Denn der ist beim Bautruck immer knapp – egal ob bei Semi- oder Full-Offroad-Fahrzeugen.
Robert Domina