Kippertest 3/2018

Scania G 450 XT 8×4

Test-Premiere für Scanias neue XT-Baufahrzeuge. Als leichter Straßenkipper muss der G 450 XT 8x4 auf die Kipper-Runde. Die versprochenen Effizienz-Steigerungen kann der Vierachser voll und ganz erfüllen.

Scania G 450 XT 8x4
Rekordverbrauch für Vierachser auf der bd-Kippertest-Runde: Beim Scania G 450 XT 8x4 rückt die 30-l-Marke in greifbare Nähe. (Bilder: bd/Domina)

Der Blick auf die Digitalanzeige der heimischen Baywa-Waage entlockt mir eine erstes erstauntes Kompliment. Nur 14.000 kg und ein paar Zerquetschte plus 75 kg für den Normfahrer – macht ganze 14.110 kg Leergewicht. Das ist für einen Vierachser mit Meiller-Dreiseitenkipper, Bordmatic und Rollplane erstaunlich wenig. Dabei sollen die neuen XT-Typen von Scania ja eigentlich robust daherkommen, XT steht schließlich für Extra Tough. Von außen sind sie erkennbar an der etwas handfesteren Frontpartie mit durchgehenden Stahl-Stoßfängern, Prallschutz im Unterboden-Bereich und gerippten Spiegel-Verkleidungen. Und natürlich am Typschild XT, das in auffälligem Orange den Kühlergrill ziert. Erste Erkenntnis: Robust muss nicht unbedingt schwer sein.

XT heißt aber auch: Neues Interieur für die Kabinen. Der umfangreiche Baukasten hält nun auch ausgesprochen tief aufgesetzte G- und P-Kabinen bereit. Letztere freilich eher für die leichteren Verteiler-Scanias. Unser G 450 XT 8×4 kommt mit der Normalkabine der G-Reihe, heißt mittelhohe Ausführung. Die niedrige Version ist eher für Autotransporter mit Überbau gedacht, die hohe Kabine heißt nach wie vor Highline. Mit Einführung der XT-Reihe lässt sich die G-Kabine sehr niedrig aufs Chassis setzen. Das bedingt in unserem Falle zwar eine 30 cm hohe Motorkiste, die Einstiegshöhe fällt jedoch für einen Vierachskipper angenehm niedrig aus. Nur 140 cm liegt der Kabinenboden über der Fahrbahn, die erste Stufe baumelt, an Gelenken aufgehängt, nur 25 cm überm Boden. Da fällt das Verlassen und Entern der Kabine spürbar leichter.

Pro & Kontra: Scania G 450 XT 8x4

Gewicht
enorm sparsamer Antriebsstrang trotz AP-Achsen und Overdrive-Getriebe
Exaktheit und Geländeerkennung von Active Prediction
Fahrbarkeit
Lenkung
Retarder-Bedienung
Keine Standheizung
kein ACC
wummernde Reifen
rutschiger Belag auf Motorkiste

Das Innere der Kabine präsentiert sich aufgeräumt, hier herrscht Scania-Design der Marke klare Kante: Hinter den Sitzen keine Schmuddelecken, sondern Staukästen mit Deckel. In der Mitte auf der Motorkiste ein Auszieh-Schub, den es optional auch als Kühl-Lade gibt. Der Gummibelag davor erweist sich als Fake: Sieht aus wie Anti-Rutsch-Matte, ist aber glatt wie Aal. Abgelegtes perlt hier grußlos in die Tiefen zwischen Sitz und Motorkiste ab – bitte zeitnah ändern. Viel besser sind die neuen Hängefächer an der Rückwand: Zwei Alu-Schienen, die zusammen ein X bilden – die Design-Abteilung lässt grüßen –, nehmen verschiedene Taschen-Gehänge und verschiebbare Kleiderhaken auf. Das sieht sehr praktisch aus und ist es auch, verdeckt allerdings das Heckfenster, das man sich ohnehin sparen kann. Gilt dagegen nicht für die kleinen seitlichen Fenster, die für die Sicht beim Abbiegen recht hilfreich sind.

Dazu ist unser Test-Truck mit dem drehbaren Komfort-Beifahrer-Sitz ausgestattet. In Kombination mit dem ausklappbaren und stabilen Klapptischchen findet der Fahrer hier ein kommodes Pausen-Plätzchen mit Power-Nap-Qualität. Und das ersetzt bestens die meist zu schmale Klappliege in einem längeren und damit schwereren Fahrerhaus.

Scania G 450 XT 8x4 Geräumige Fahrerkabine
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Sägezahnfahren macht beim Kipper eher weniger Sinn

Als Instrumenten-Set wählte man die aufwendige Variante mit zentralem Bildschirm. Anfangs ungewohnt sind die zahlreichen digitalen Anzeigen, die da eingeblendet werden. Wem das alles auf Dauer zu viel ist, der kann per Tastendruck alles ausblenden, außer die Runduhren für Geschwindigkeit und Drehzahl. Das beruhigt die Anzeigesituation zwar ungemein, sieht aber auf der anderen Seite auch wieder etwas langweilig aus. Ansonsten kennen wir die Bedienelemente alle aus den Fernverkehrs-Fahrzeugen. Das gilt auch für Anwendung und Einstellung des GPS-Tempomaten, der bei Scania Active Prediction heißt. Neu ist hier die einfachere Einstellung der Hysteresen, die nun in drei Stufen zwischen –2 und –8 Prozent zur Setzgeschwindigkeit eingestellt werden können. Dazu hat Scania nun Pulse & Glide in die Active-Prediction-Programme integriert: Dabei beschleunigt das Fahrzeug kaum merklich wenige km/h über die Setzgeschwindigkeit, um dann eine längere Rollphase nutzen zu können. Dieses Sägezahnfahren spart zwar tatsächlich etwas Sprit, verändert aber auch ständig die Geschwindigkeit, was einen hinterher fahrenden Kollegen ziemlich nerven kann. Im Kippereinsatz kommt Pulse & Glide, wie wir während unserer Runden feststellen, kaum zur Geltung. Zwei, drei Mal ist es auf der flachen Autobahn zu beobachten.

Augenscheinlich nicht neu ist dagegen das Angebot Scanias, trotz des voll automatisierten Schaltgetriebes ein Kupplungspedal anzubieten. „Manche Kunden bestehen darauf“, bestätigt mein Testbegleiter Peter Breitbach und verweist auf die Möglichkeit, mit dem Kupplungspedal ruckartige Bewegungen ausführen zu können, etwa zum Lockern der Ladung. Wir haben es ausprobiert: Das funktioniert tatsächlich ganz gut, obwohl das Kupplungspedal offenbar nur einen Schalter bedient, der wiederum den Kupplungs-Steller ansteuert. Andersrum funktioniert das Lockern festgeklebter Ladung auch durch hartes Abbremsen und Anfahren. Fragt sich, was schonender für den Antriebsstrang ist.

Scania G 450 XT 8x4 Motorinnenraum
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Selbigen schauen wir uns von unten an. Und da fällt auch gleich der Stummel des unters Chassis führenden Auspuffs auf. Er stört als einziges Element den freien Durchgang im Gelände. Wer viel auf tiefen Böden unterwegs ist, wird da den hochgezogenen Auspuff vorziehen, auch wenn der 75 kg schwerer ist als die hier gezeigte Lösung. Denn die geraden Vorderachsen, die schlank bauenden Hinterachsen mit Außenplaneten(AP)-Übersetzung und keinerlei störende Bremszylinder, Luftkessel oder Kabel prädestinieren den XT 8×4 durchaus auch für tieferes Geläuf.

Der kräftige Stabi an der ersten Vorderachse, schön in die Abdeckung vor den Achskörper gebaut, ist auch die einzige Maßnahme gegen Wankbewegungen. Das ist ungewöhnlich, denn die beiden Antriebsachsen kommen gänzlich ohne Stabis aus. Die Hinterachsen werden nicht nur durch die Parabelfedern geführt, sondern durch zusätzliche Lenker, die an einem Y-förmigen Achsschemel befestigt sind. Das ist offenbar eine sehr steife, wankstabile Lösung, die zusätzliche Stabis entbehrlich macht und besonders leicht ausfällt. Als Traktionshilfe gibt es nur die Differenzial-Sperren, die per Drehschalter in logischer Reihenfolge betätigt werden: erst längs, dann beide quer. So ist das richtig und wirkungsvoll.

Leer schluckt der Kipper gut 30 Prozent weniger

Beim Beladen nutzen wir für den kontrollierenden Blick in die Mulde den neu gestalteten Außen-Auftritt und die Handreling. Letztere ist wegen der Dachhöhe seitlich befestigt und bietet perfekten Halt für die Hände. Ebenfalls sehr gut: Auf den Auftritt passen zwei Füße nebeneinander – das ist keine Selbstverständlichkeit.

Mit 17,5 t Schotter gehen wir unsere Kipperrunde an: 28 km leichte Roll-Landstraße, 47 km schwere und bergige Landstraße mit fünf definierten Stopps und Anfahrvorgängen sowie 80 km Autobahn samt Kindinger Berg. Nicht immer haben wir die Gelegenheit, die leichte Landstraße sowohl leer als auch beladen zu fahren. Heute schon. Der Unterschied macht sich hauptsächlich im Verbrauch bemerkbar: Exakt 30,2 Prozent weniger konsumiert der Vierachser bei der Leerfahrt.

Die Geschwindigkeit unterscheidet sich um gerade mal zwei Zehntel (58,7 zu 58,5 km/h) zu Gunsten der Leerfahrt. Interessant: Trotz gut 17 t weniger Masse rollt auch der leere 8×4 erstaunlich gut. Das spricht für einen sehr leichtgängigen und gut eingefahrenen Antriebsstrang. In der Tat hat der G 450 auch schon 42.000 km auf der Uhr.

Der Federungskomfort bei Leerfahrt ist ebenfalls erstaunlich hoch: Die Vorderachsen rollen leer erwartungsgemäß viel steifer ab, dies aber leise und ohne Poltern oder Stuckern bei Querrillen. Die vorderen Luftfederbälge der Kabinenaufhängung nehmen dem Fahrwerk einiges von seiner Härte. In Kurven neigt sich die Kabine zwar ein wenig, vermittelt dabei aber kein Gefühl der Unsicherheit.

Einmal mehr überzeugt Active Prediction in jeder Hinsicht. Der ständig weiter entwickelte GPS-Tempomat erkennt die vorausliegende Topographie mit einer Genauigkeit, die einen immer wieder staunen lässt. Das Spiel mit der Geschwindigkeit zwischen Kuppen und Senken beherrscht Active Prediction wie kein anderer GPS-Tempomat. Wir können ja den direkten Vergleich ziehen auf unseren hügeligen Passagen der A9 zwischen Denkendorf und Ingolstadt: Der Scania regelt seine Kuppengeschwindigkeit so exakt ein, dass nicht einmal in der Senke gebremst werden muss. Stattdessen genehmigt sich der GPS-Tempomat hier und da kurze Dips mit 92er Spitzen, um optimal die nächste Steigung anzurollen. Dies aber keineswegs andauernd. Sondern nur dann, wenn das Hinauszögern der Schwungspitze einen veritablen Gewinn verspricht.

Scania G 450 XT 8x4 niedrig aufgesetze G-Haus
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Die Exaktheit, mit der das geschieht, ist verblüffend. Dass diese Fahrweise einen enormen Einfluss auf den Verbrauch hat, wissen wir. Der Freilauf-Retarder (Freewheeling-Retarder) und die für einen Testkipper sehr hohe Kilometerleistung sprechen für optimale Fahrwiderstände, die freilich durch die AP-Achsen und das Overdrive-Getriebe wieder relativiert werden. Wie hoch Scania seinen 450-PS-Brot-und-Butter-Motor thermisch belastet, lässt sich nur erahnen. Schaut man sich die weiße Asche auf dem Auspuffkrümmer an, ist klar: Hier geht es definitiv sehr heiß zur Sache. Auch der relativ hohe AdBlue-Verbrauch von acht Prozent des Dieselverbrauchs spricht für sehr heiße Verbrennung und einen außerordentlich hohen thermischen Wirkungsgrad. Das Ganze gipfelt – man ahnt es schon – in einem neuen Rekordverbrauch für Vierachser auf unserer Kipper-Runde: Mit 28,6 l/100 km reinem Autobahnverbrauch lässt der G 450 die 30-l-Marke weit hinter sich. Mit 30,4 l/100 km über die Gesamtrunde ist diese Marke in greifbare Nähe gerückt. Scania schlägt sich wieder mal selbst: Am nächsten dran am aktuellen G 450 XT ist das Vorgänger-Modell, der Scania G 450 8×4, Jahrgang 2015.

Robert Domina, bd-Nutzfahrzeug-Experte, Pietenfeld

„Es ist schon erstaunlich, wie weit Vierachs-Kipper in der Verbrauchs-Performance auseinander liegen können. Wenn ich mal meine große Vergleichstabelle öffne und Äpfel mit Birnen vergleiche, nämlich einen leichten 8×4-Straßenkipper mit einem Heavy-Metal-Tatra 8×8, dann ergibt sich ein Verbrauchs-Unterschied über die Kipper-Gesamtrunde von sagenhaften 27 Prozent (30,4 zu 41,4 l/100 km). Klar ist so ein Vergleich nicht statthaft. Er zeigt aber, was den Unterschied ausmacht: Es sind die Fahrwiderstände, die in erster Linie den Verbrauch bestimmen. Bis die Antriebspower mal an jedem der acht angetriebenen Räder eines 8×8-Kippers ankommt, ist viel Leistung in den mannigfaltigen Zahnrädern des Antriebs in Reibung, sprich Wärme umgesetzt worden. Dafür gibt’s raupenähnliche Traktion. Und wer die benötigt, um überhaupt den Job machen zu können, zahlt den Aufpreis zähneknirschend, weil es eben anders nicht geht.

Schon eine angetriebene Achse weniger – Beispiel Volvo FMX 500 8×6 – zeitigt mit 37,3 l/100 km einen deutlich sparsameren Umgang mit dem Diesel. Nur knapp dahinter liegt der Mercedes Arocs 4145 8×4 mit Turbo-Retarder-Kupplung (demnächst im bd-Kippertest). Als schwerer Kipper mit souveränen Anfahr- und Brems-Eigenschaften kann er kein Sparmeister sein. Das andere Extrem bei den Vierachsern ist der leichte 8×4-Straßenkipper: So wie Scanias G 450 XT (30,4 l), Volvos FH 500 (31,0 l), der FMX 460 (32,8 l), der Arocs 3245 (34,0 l) oder Renaults K 460 mit 34,9 l. Bei diesen 8×4 ähnlicher Prägung liegen die Verbräuche immerhin bis zu gut zehn Prozent auseinander.

Da wundert es mich, dass hierzulande der 8×4 plus Einachs-Zentralachsanhänger so gut wie nicht vorkommt. Einfacher und billiger als über einen Anhänger sind die Transportkosten kaum zu optimieren. Die Nutzlast würde von 17 auf 23 t steigen, das sind 25 Prozent Gewinn. Die Sattelzugmaschine mit Rundmulden-Auflieger schafft im besten Fall ein bis zwei Tonnen mehr. Ok – Abkippen geht beim 8×4-Gespann in einer gewissen Geschwindigkeit nur seitlich. Und – auch das stimmt – es ist etwas mehr Platz nötig. Die Skandinavier denken da praktischer: Der Hänger mit langer Deichsel wird dort oft einfach um 90 Grad aus dem Weg rangiert, dann kippt der 8×4 übers Heck einfach über die Deichsel: quick and dirty, aber effektiv.“