Testfahrt mit der DAF-Baureihe XD
CF wird zu XD: DAFs Mittelklasse-Baureihe kommt also komplett neu – naja, zumindest äußerlich. Die elegante CF-Kabine mit ihren charakteristischen Backen muss nun der moderneren XF-Kabine Platz machen. Darunter sitzen ein weitgehend belassener Antriebsstrang und die bewährten Rahmen.
Den CF mit den ausgestellten Radhäusern und der oben schmaler werdenden Kabine fand ich ja immer eine recht elegante Erscheinung – insbesondere als Baufahrzeug, etwa als Vierachs-Kipper oder -Mischer oder als Baustoffzug. Aber es hilft ja nichts: Gefordert wird heute nicht nur eine kostengünstige Fertigung mit hohem Gleichteilegrad, sondern auch mehr Komfort und Platz für den Chauffeur. Und das bietet die neue Kabine definitiv. Sie basiert in den Grundmaßen auf der erst voriges Jahr eingeführten XF-Kabine. Die ist volle 2,5 m breit, beim XD aber tiefer auf den Rahmen aufgesetzt. Das spart eine Stufe zum Aufentern, der Einstieg ist in der Tat deutlich bequemer als beim XF. In die Kabine wächst dadurch logischerweise eine 32 cm hohe Motorkiste in den Raum. Aber: Die Motorkiste im alten CF fiel mit 44 cm deutlich höher aus.
Das Angebot an Kabinen sollte selbst bei der großen Einsatzbreite, die der XD abdecken muss, mehr als ausreichend sein. Kleinste Kabine ist die niedrige und kurze Day Cab. Sie bietet nach hinten nun 15 cm mehr Tiefe als die alte CF-Hütte, die Kabine insgesamt ist um weitere 16 cm nach vorne gewachsen. Letzterer Zugewinn resultiert aus dem neuen Kabinenkonzept, das auch schon die XF- und XG-Typen für den Fernverkehr kennzeichnet. Die Erweiterung nach vorn ermöglicht enorm große Eckradien, die wiederum für sehr gute Luftwiderstands-Beiwerte sorgen. Ist für Baufahrzeuge nicht so wichtig – falsch: Der Luftwiderstand steigt im Quadrat zur Geschwindigkeit. Wer also öfter Autobahn-Baustellen anfährt, profitiert von einem niedrigen Luftwiderstand – und zwar im Prozentbereich, was den Verbrauch angeht.
Der Platzgewinn nach hinten bedeutet spürbar mehr Verstellraum für den Sitz. Und selbst in der hintersten Position verbleibt dann noch eine gute Handbreit bis zur Rückwand. Der XD bietet also deutlich mehr Lebensraum, sowohl in der Tiefe als auch in der Breite.
Ist die niedrige Kabine nach hinten um eine Liegestatt erweitert, heißt sie Sleeper Low Cab. Zugegeben: Hinter den Sitzen ist die vollwertige DAF-Federkern-Matratze etwas eingeschnürt (60 cm Breite), in der Mitte bietet sie aber die vollen 75 cm für ein gesundheitsförderndes Mittagsschläfchen. Allen Kabinen mit dem unteren Fenster in der rechten Tür ist übrigens der klappbare Beifahrersitz gemein. Das ist sinnvoll, denn nur bei hochgeklappter Sitzfläche und ohne Beifahrer ist der Blick für den Fahrer auf das Geschehen rechts neben seiner Kabine möglich.
Drittes Baumuster ist dann die Sleeper High Cab mit Hochdach. Sie ist der XF-Kabine schon sehr ähnlich, liegt nur 17 cm niedriger auf dem Rahmen. Die Stehhöhe vor den Sitzen ist mit 1,97 m fast schon Luxus, etwa für eine Kipper-Sattelzugmaschine.
Mit der neuen Kabine wollten die DAF-Ingenieure ganz bewusst neue Maßstäbe für ihre Mittelklasse setzen: Einmal in Sachen Raumgefühl und zum anderen in Sachen Sicherheit. Insofern profitiert die XD-Kabine direkt vom XF mit seinem Spiegel-Ersatz-System und beifahrerseitiger Vision-Door. Dabei ist die etwas tiefer gesetzte Eck-Kamera rechts Standard, auch wenn normale Spiegel geordert werden. DAF nennt den digitalen Ersatz von Rampen- und Frontspiegel Corner View: Die etwas über Kopfhöhe installierte Kamera guckt quasi um die Ecke und zeigt ein wesentlich weitwinkligeres Bild als Rampen- und Frontspiegel, bei gleichzeitig weniger Verzerrung. Auch ohne Fenster in der Tür wird der tote Winkel neben dem Fahrerhaus damit sauber angezeigt.
Eine optisch kaum wahrnehmbare Absenkung des rechten Teils des Armaturenbretts um wenige Zentimeter erlaubt zudem einen tieferen Blick nach vorn und verkürzt auch dort, unmittelbar vor dem Fahrzeug, den toten Winkel. All diese Bemühungen laufen bei DAF unter dem Oberbegriff Direct Vision und ergänzen nun auf einfache Weise die schon vom XF bekannten Abbiege-, Spurhalte- und Wiedereinscher-Assistenten.
Beim Antrieb ist der XD förmlich um den kleinen MX-11-Sechszylinder mit 10,8 l Hubraum herumgebaut. Ein Blick unter die gekippte Kabine zeigt, dass alle Komponenten, inklusive des Abgas-Rückführ-Kühlers, nicht über den Ventildeckel hinausragen. Beide Seiten der Maschine sind ziemlich zugebaut mit Filtergehäusen, Leitungen und Steuergeräten, hier geht es eng zu – geschuldet der niedrigen Aufsatzhöhe der Kabine.
Den MX 11 gibt es im XD in fünf Leistungsstufen (300, 330, 370, 410 und 450 PS). Während DAF bislang nur die drei stärksten Varianten mit Top-Torque um je 150 Nm mehr Drehmoment boostern wollte, gibt es die Extra-Portion Drehmoment nun für alle fünf Motoren. Das hilft, bei Marschgeschwindigkeit die Drehzahlen abzusenken, und das senkt wiederum den Verbrauch. Den MX 11 hat DAF derweil an vielen Stellen im Detail optimiert, von der Verbrennung über die Aufladung bis zu Peripherie-Aggregaten wie Öl- und Wasserpumpen sowie dem Luftpresser.
Im herbstlichen aber immer noch angenehm warmen Spanien starten wir zu einem ersten Ritt mit einem 6×2-Absetzer und Day Cab. Und es stimmt: Der XD fährt sich wirklich wie der XF. Allein schon optisch fühle ich mich hier zuhause: Das gleiche Armaturenbrett, die gleichen digitalen Anzeigen, die gleiche Bedienung – alles wie beim großen Bruder. Mir scheint freilich, als dringe deutlich mehr Motorgeräusch über die Rückwand ans Fahrerohr. Ist aber auch normal bei kurzen Kabinen, wo der Motor schon fast hinter der Kabine herausschaut. Die anschließend gefahrenen Kipp-Sattel mit langer Kabine zeigten sich hier hörbar leiser. Auf der engen Zufahrt zum Palmen-umsäumten Marina-Parkplatz ist man froh, über ausgezeichnete Sicht zu verfügen: links schräg parkende Autos, rechts Palmwedel und Zweige, das Ganze noch gewürzt mit unzähligen Schwellern und einem gerüttelt Maß an Kreisverkehren – es dauert, bis man hier in Sitges südlich von Barcelona auf die Küstenautobahn trifft.
Uns interessiert jedoch mehr eine knackige Steigung abseits der Autobahn, zweispurig, da kann man auch mal was ausprobieren. Da überzeugt mich vor allem der 410er, der hier sehr schön drehmomentorientiert hinaufstampft – sehr fein zu fahren. Auch bergab: Hier verzögert die überarbeitete Motorbremse erstaunlich zupackend. Im Gegensatz zu früher liefert der 11,8-Liter schon bei 1.200 Umdrehungen ganz brauchbare 1.550 Nm Bremsmoment. Und das praktisch linear bis 2.100 Umdrehungen. Das ist jetzt nicht vergleichbar mit einem 13-l-Motor, für den Hubraum aber schon sehr ordentlich.
Insgesamt präsentiert sich der XD bereits ab Serienbeginn als sehr variabel einsetzbare mittelschwere Baureihe. Kein Wunder: Die einzelnen Komponenten wie Fahrgestell oder Antriebsstrang sind erprobt, einzig die Kabine bedurfte der Anpassung. Bestechend auch die Vielfalt an bereits abrufbaren Achskonfigurationen: Vom simplen 4×2-Dreiseiten-Kipper bis zum 8×4-Kipper- oder -Mischer-Fahrgestell ist alles erhältlich Ab Start auch der 6×2 oder 8×2 für den Baustofftransport mit Kran. Diverse Vor- und Nachlaufachsen, gelenkt und liftbar, gibt es ab Werk – da bleiben keine Wünsche offen. Die batterieelektrischen Versionen sollen laut DAF nächstes Jahr folgen, mit zentralem E-Motor, Dreigang-Getriebe und Antriebsachsen aus dem Baukasten. Mit modular gestalteten Batterie-Packs von zwei bis fünf Strings (Paketen) bis zu 525 kWh nutzbarer Kapazität sollen Reichweiten zwischen 200 und 500 km abrufbar sein. Schon ganz schön Erwachsen, diese junge Baureihe.