Schmierstoffe

Was bringt eine professionelle Ölüberwachung?

Motorenöle für moderne Baumaschinen sind hochtechnische Spezialprodukte. Und Hersteller feilen weiter an neuen, noch besseren Ölformulierungen. Ein großes Thema ist dabei die Verträglichkeit mit Abgasnachbehandlungssystemen und die Verringerung des Kraftstoffverbrauchs. Auf der anderen Seite fehlt aber in vielen Betrieben ein durdachtes Schmierstoffkonzept, eine Ölüberwachung wird oft nur sporadisch durchgeführt oder ganz vernachlässigt. Dabei sichert sie nicht nur die Produktivität des Fuhrparks, sondern kann in vielen Fällen zu Kosteneinsparungen beitragen.

Ölanalyse
Neben der richtigen Schmierstoffwahl kann eine regelmäßige Ölanalyse die Produktivität von Baumaschinen nachhaltig sicherstellen. (Bild: Caterpillar/Zeppelin)

Baumaschinen stellen hohe Anforderungen an das Motorenöl und setzen es im wahrsten Sinne des Wortes unter Druck. Die Umweltbedingungen am Einsatzort sind mal heiß, trocken und staubig, dann wieder kalt und feucht. Auch die wechselnden Lasten beim Betrieb sind anspruchsvoll für das Öl. Bagger und Radlader, Kipper, Betonmischer und Grader werden häufig sofort nach dem Start hoch belastet und laufen in Spitzenzeiten mehrere Schichten komplett durch, um bei geringem Auftragseingang oder saisonbedingt wieder lange stillzustehen. Umso mehr sind Bauunternehmer darauf angewiesen, dass die Schmierstoffe ihre Maschinen wirksam vor Ablagerung, Korrosion und Verschleiß schützen.

Ein gutes Motorenöl muss deshalb gegensätzliche Forderungen erfüllen, wie Jürgen Ulmer, Geschäftsführer von Chevron Deutschland, erklärt: „Es sollte möglichst dünnflüssig beim Kaltstart sein, um alle kritischen Schmierstellen schnell zu erreichen, und gleichzeitig bei hohen Temperaturen und hoher Belastung einen stabilen Schmierfilm garantieren.“ Außerdem reduziert dünnflüssiges Öl den Pumpwiderstand, sodass der Motor für die gleiche Leistung weniger Treibstoff verbraucht. Gleichzeitig soll das Öl aber auch über einen langen Zeitraum konstante Leistungen bringen und dabei ein gutes Viskositäts-Temperaturverhalten und eine hohe Scherstabilität aufweisen. Ulmer: „Dünne Leichtlauföle zu befähigen, in abgasoptimierten Baumaschinenmotoren einen ausreichend dicken Schmierfilm unter allen Betriebsbedingungen zu gewährleisten, stellt höchste Anforderungen an die Ölformulierung und Additive.“

Die europaweite Einführung der Abgasnorm Euro V 2019/2020 hat die Grenzwerte für den Ausstoß von Dieselpartikeln nochmals verschärft, sodass auch in Baumaschinen Abgasnachbehandlungssysteme zum Einsatz kommen – die wiederum neue Ölformulierungen erforderlich machen. Bantleon-Anwendungstechniker Maximilian Bauer: „Das Motorenöl muss entsprechend abgestimmt sein, um die Lebensdauer des Abgasnachbehandlungssystems zu verlängern.“ Problem sind die feinen Poren der Filter. Damit sie nicht verstopfen, sollen Motorenöle möglichst keine Partikel produzieren. „Aschearme Öle, sogenannte Low-SAPS mit wenig Anteilen an Sulfatasche, verhindern die frühzeitige Verstopfung der Filter und verringern Ablagerungen an Kolben, Kolbenringen und Laufbüchsen, die durch den Hochtemperaturbetrieb entstehen können und ihrerseits zu weiteren Partikeln und erhöhtem Ölverbrauch führen“, so Ulmer.

 

Standpunkt

Jürgen Ulmer Geschäftsführer, Chevron Deutschland, Hamburg

„Ein klar definierter Arbeitsort erlaubt es, die Viskosität des Motoröls optimal auszuwählen. Wenn der Motor bei kalten Bedingungen betrieben wird, empfiehlt sich ein Schmierstoff mit niedriger Viskosität. Dies gilt umso mehr, wenn die Einsatzbedingungen häufige Motorenstarts erforderlich machen. Der Korrosionsschutz des Öls ist umso wichtiger, je feuchter die Umgebung ist. Insbesondere dann, wenn mit langen Ruhezeiten der Motoren zu rechnen ist. Feuchte Arbeitsbedingungen haben außerdem zur Folge, dass die Motoren fast immer mit hoher Last laufen – was wiederum hohe Anforderungen an den Hochtemperaturschutz des Öls stellt, also an die oxidative Stabilität. Hinzu kommt, dass die Motorkühlung von Baumaschinen wesentlich komplexer ist als beispielsweise bei Lastwagen. Der Fahrtwind fällt komplett aus, und abgasoptimierte Motoren produzieren noch mehr Wärme.“

 

Motorenöle sind heute absolute Spezialprodukte, die laut Oliver Kuhn, stellvertretender Leiter des Öllabors von Liqui Moly, den Status eines Ersatzteils erreichen – und haben auch ihren Preis. Dass sie immer teurer werden, bestätigt auch Andreas Krapf, Produktmanager bei Zeller+Gmelin – Kostentreiber sei der hohe Additivanteil, der bei manchem Öl bereits knapp 40 Prozent beträgt. Zudem sind synthetische Motorenöle auf dem Vormarsch, die neben besserer Leistung auch einen höheren Preis haben. Die Wirtschaftlichkeit eines Motorenöls nur über den Preis zu beurteilen, ist Chevron zufolge aber nicht zielführend. Das Hightech-Produkt Öl sichere nicht nur die Lebensdauer und Betriebssicherheit der Baumaschine, sondern helfe zudem, den Treibstoffverbrauch spürbar zu senken. In Summe über alle Maschinen lassen sich die Mehrkosten für ein Premium-Motorenöl laut Kuhn ausgleichen. Langfristig ergeben sich auch durch den verbesserten Korrosionsschutz und die verlängerten Wechselintervalle, die moderne Öle erlauben, Einsparpotenziale.

Bei der Lagerung fängt es an

Nicht nur wegen der hohen Anschaffungskosten empfiehlt Shell-Schmierstoffberater Ingo Schulz Bauunternehmern, dem effektiven Schmierstoffmanagement im Betrieb eine hohe Priorität einzuräumen. Im ersten Schritt verhindert eine korrekte Lagerung und Handhabung Verunreinigungen und beugt damit Maschinenausfällen vor. Darüber hinaus rät Schulz zu einer regelmäßigen Ölüberwachung, die sicherstellt, dass das eingesetzte Motoröl richtig arbeitet und leistungsfähig bleibt. So lassen sich Probleme erkennen, bevor sie zu Ausfällen führen und die Produktivität der Maschine einschränken. Mittlerweile bieten viele Schmierstoffersteller einen Service zur Ölzustands-Überwachung – so beispielsweise Shell (Lube Analyst) oder Chevron (Lubewatch).

 

Buchtipp

In seinem Handbuch Ölanalysen, neu erschienen im Expert-Verlag, bündelt Rüdiger Krethe praxisorientiert und fundiert sein auf über 25 Jahren Erfahrung basierendes Schmierstoff-Wissen.

 

Darüber hinaus können Bauunternehmer aber auch ein unabhängiges Labor ins Boot holen und profitieren dabei in der Regel von einer noch umfangreicheren Analyse. Die Firma Oelcheck etwa untersucht seit mehr als 20 Jahren Ölproben aus Baumaschinen und hat ihre Prüfverfahren und Analysebewertungen kontinuierlich weiterentwickelt und an moderneste Schmierstofftechnologien angepasst. In erster Linie geht es bei der Ölanalyse darum, den Verschleißzustand des Öls zu überprüfen, erhöhte Verunreinigung rechtzeitig zu erkennen und damit das Ölwechselintervall an die tatsächliche Beanspruchung und die individuellen Einsatzbedingungen anzupassen. „Das ist aber noch längst nicht alles“, erklärt Oildoc-Geschäftsführer Rüdiger Krethe. Sein Unternehmen bietet Seminare, Inhouse-Schulungen, Online-Trainings und individuelle Beratungen rund um das Thema Schmierstoffe. „Zwei Beispiele zeigen, dass die Ölanalyse noch mehr bringen kann.“

Von einem Kunden erhielten die Öl-Experten eine Probe mit schuhcremartigem Inhalt. Nach nur 150 Stunden Laufzeit in einem neuen Dieselmotor war das Motoröl stark eingedickt und verursachte einen Motorschaden. Eine derartige Eindickung – das Öl floss abgekühlt auf Raumtemperatur nicht einmal mehr aus dem Probengefäß – ist laut Krethe unter normalem motorischem Betrieb unwahrscheinlich. Zudem ergaben sich aus der Analyse keine Anzeichen von Frostschutzmittel-Eintrag, der innerhalb kurzer Zeit eine solche Eindickung produzieren kann. Auffällig war aber der Rußgehalt von mehr als acht Prozent und die Kombination von starker Öloxidation und Nitrooxidation. Den Experten war klar: Schuld war nicht etwa eine schlechte Ölqualität, sondern vielmehr der Motor selbst, bei dem die Verbrennung nicht richtig funktionierte und der dadurch das Öl überstrapazierte.

Eingedicktes Diesel-Motorenöl
Stark eingedicktes Diesel-Motorenöl nach nur 150 Betriebsstunden. Hier funktionierte die Verbrennung des Motors nicht richtig. (Bild: Oelcheck)

Eine weitere Probe aus einem geschädigten Dieselmotor enthielt schlammartig verklumptes Motorenöl mit auffällig heller Braunfärbung und unangenehmem Fritteuse-Geruch. Die Analyse zeigte den Eintrag einer esterbasischen Flüssigkeit, obwohl ausgeschlossen werden konnte, dass der Motor mit Pflanzenölkraftstoff betrieben wurde. Ursache des Problems: Das Hydrauliksystem war mit einem Bio-Öl auf Basis ungesättigter Ester befüllt und die Abdichtung der Hydraulikpumpe – bei diesem Gerät direkt an den Motor angeflanscht – defekt. Dadurch wurde das Bio-Hydrauliköl in den Motorölkreislauf gedrückt und konnte dort den hohen Temperaturen nicht Stand halten.

Geleeartige Eindickung des Motorenöls
Aufgrund einer defekten Abdichtung kam Bio-Hydrauliköl in den Motorölkreislauf und führte zu einer geleeartigen Eindickung des Motorenöls mit unangenehmem Geruch. (Bild: Oelcheck)

Eine Ölanalyse erlaubt also nicht nur Aussagen über den Zustand des Öls, sondern kann auch Hinweise liefern, dass Baugruppen und Komponenten fehlerhaft arbeiten. Zwar haben diese – wie auch das Motorenöl – eine prognostizierte Lebensdauer, doch im Baustelleneinsatz treten oft starke Schwankungen in der Beanspruchung und den Umwelt- und Betriebsbedingungen auf. Krethe empfiehlt daher eine Ölanalyse alle sechs bis zwölf Monate beziehungsweise nach 500 bis 1.000 Betriebsstunden. Je nach Bedeutung der Maschine und Art der Anwendung kann es in Einzelfällen auch monatlich Sinn machen. Voraussetzung für eine aussagekräftige Analyse ist dabei die korrekte Ölentnahme im Betrieb.

Ölproben müssen repräsentativ für die Ölfüllung sein. Sie sollten weder vom Boden eines Tanks noch von der oberen Flüssigkeitsschicht entnommen werden, sondern idealerweise während des Betriebs oder unmittelbar nach dem Abschalten des Systems (Druck und Öltemperatur beachten). Eine falsche Probenentnahme kann selbst durch moderne Analysegeräte nicht kompensiert werden. Da Ölproben weder in Limoflaschen noch in Obstgläser oder ähnliches gehören, stellt Oelcheck spezielle Analysesets und Entnahmewerkzeuge zur Verfügung, die eine schnelle und saubere Ölentnahme und einen sicheren Transport ermöglichen. Jedem Analyseset ist außerdem ein Probenbegleitschein beigefügt, der die wichtigsten, zur Beurteilung der Probe benötigten Daten abfragt.

 

Es braucht ein Konzept

Oildoc-Geschäftsführer Rüdiger Krethe plädiert beim Schmierstoffmanagement für klare Verantwortlichkeiten im Betrieb.

Wie präsent ist das Thema Instandhaltung im Bausektor – kümmern sich deutsche Bauunternehmer ausreichend um eine optimale Schmierung ihrer Maschinen?

Um die Schmierung wird sich im Allgemeinen schon gekümmert. Nur gehen die Meinungen auseinander, was optimale Schmierung ist. Für den einen ist der Preis entscheidend, für den anderen ist das technisch Beste gerade gut genug. Oft fehlt ein Konzept mit dem Blick fürs Ganze. Wie viele Öle habe ich fuhrparkweit im Einsatz und welche Standzeiten für die Maschine und das Öl will beziehungsweise kann ich damit erreichen.

Was sind die häufigsten Fehler, die in der Praxis gemacht werden?

Öl ist gleich Öl, alle Ölsorten haben ein vergleichbares Leistungsniveau. Historisch gesehen war das mal Usus, weil viele Maschinen von Gestern das Leistungsniveau der Öle kaum abgerufen haben. Mit den heutigen Maschinen, höheren Leistungen, Arbeitsdrücken und emissionsoptimierten Systemen sowie den Erwartungen an Ölwechselintervalle gilt das nicht mehr. Ölüberwachung wird nicht selten vernachlässigt oder nur sporadisch durchgeführt. Oft, weil keiner speziell dafür verantwortlich ist. Damit sind wir wieder beim Thema Konzept: Mache ich das irgendwie oder mache ich das professionell und den modernen Maschinen entsprechend.

Wie profitieren Bauunternehmer von einer regelmäßigen Ölanalyse?

Ölanalysen ermitteln, was ohne Demontage nicht sichtbar ist oder erst dann, wenn es zu spät ist. Es geht hauptsächlich um die Früherkennung von Störungen: Komponenten-Verschleiß, eingedrungene Verunreinigungen und die Weiterverwendbarkeit des Öls. Ölanalysen zeigen, was passiert ist, als das Gerät auf der Baustelle außer Sicht- und Reichweite war. Sie sind sozusagen Fernglas und Stethoskop des Instandhalters. Dazu decken sie den unsachgemäßen Umgang mit Ölen auf. Das gilt generell, aber noch wichtiger bei Mietgeräten. Erfahrungen zeigen, dass mit Ölanalysen deutlich längere Standzeiten erreicht werden, ohne das Risiko eines Blindflugs einzugehen. Ölanalysen machen sich bezahlt und schonen die Umwelt.

Oildoc-Geschäftsführer Rüdiger Krethe